Angst vor dem Islam? Angst vor Deutschland!
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht (...).“ Heine hat es zwar anders gemeint, trifft den Nagel aber angesichts der momentanen präventiven Angst vor eventuell in der Planung befindlichen Terroranschläge, ganz ohne Absicht, mit seinen Nachtgedanken auf den Kopf.
Der Papst darf keine Jahrhunderte alten Zitate verwenden, ohne den Kollektivzorn aller mus-limischen Gläubigen nebst Vertretern derer auf sich und den gesamten christlichen Glauben zu ziehen.
Klassische Opern werden im Jahr 2006, also circa 225 Jahre nach der Uraufführung, aus Vorsicht und aus Angst davor, dass wir das Ehrgefühl der Muslime oder Moslems verletzen, vom Spielplan gestrichen.
Wie wir nicht zuletzt von Angela Merkel hören, ist dies „Selbstzensur“ und unverständlich, Wolfgang Schäuble findet es gar „inakzeptabel und lächerlich“, die Liste derjenigen, welche Absetzung dieser Oper nicht nachvollziehen können, lässt sich beliebig lang fortführen. Selbst der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hält es für angemessen, dass die Anhänger seines Glaubens „bestimmte Sachen [...] akzeptieren“ müssen. Gleichwohl gibt der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, zu bedenken, dass es Szenen in der Oper gäbe, welche die religiösen Gefühle verletzen können.
Da fragt sich der geneigte (angenommen, deutsche) Christ, was ihm wohl passieren würde, ginge er in einem moslemischen oder muslimischem Land auf die Strasse und verkünde, er fühle sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt, weil er weit und breit keine Kirche sähe, in welcher er in seinem Glauben nachgehen könne und er fühle sich auch versucht, diesem Ge-fühl durch Gewaltanwendungen gleich welcher Art, Ausdruck zu verleihen. Einfach mal fa-buliert, sage ich, dass man diesem Christenmenschen sehr zeitnah nahe legen würde, das Land zu verlassen und sich dort niederzulassen, wo er seinem Glauben in der ihm gefälligen Art und Weise nachgehen könne. Sollte sich besagter deutscher Christ dazu hinreißen lassen, anzumerken, dass er das in seinem eigenen Heimatland aber nicht könne, da er dort auf sämt-liche religiösen Gefühle der dort lebenden Glaubens- und Bevölkerungsgruppen ausreichend Rücksicht zu nehmen hätte, würde man ihn vermutlich auslachen. Und womit? Mit Recht!
Ich könnte mich ja, ebenso wie der sympathische Christ, von der (in einem anderen Farbton als bei uns gehaltenen) roten Farbe einer (zufällig) in einem moslemischen oder muslimi-schen Land stehenden Fußgängerampel in meinen religiösen Gefühlen verletzt sehen, weil es mich an die Kreuzigung Jesu erinnert; käme man in diesem Land auf die Idee, die Ampel zu demontieren oder gar eine ganz andere Ampelfarbe einzuführen, damit sich zukünftig kein Christ mehr beleidigt fühlt? Ich glaube nicht.
Jetzt haben wir deutschen Christen während der Fifa-Fußball-WM 2006 nach über 60 Jahren ohne großartig zur Schau getragenes National- und Ehrgefühl endlich erfahren, dass wir un-seren Nationalstolz zeigen und sogar feiern dürfen und gelegentlich sieht man sogar jetzt noch Fahnen und Fähnchen an Häusern und Autos, in Vorgärten und an Restaurant, aber ge-lernt haben wir alle daraus anscheinend herzlich wenig. Wo ist denn Bitte das Selbstbewusst-sein geblieben, wenn wir jetzt dazu übergehen, rein präventiv Opern abzusetzen, damit wir den (Achtung: eigene Meinung) ständig, für Christen in diesem nicht-nachvollziehbaren Maß, wegen irgendetwas beleidigten Moslems oder Muslimen nicht auf die Füße und somit zu nahe treten? Nehmen wir doch noch mal den „angenommenen“ Christen und lassen ihn wieder in einem moslemischen oder muslimischen seinen Wohnort gefunden haben. Und jetzt erfährt er, dass Opern abgesetzt werden, weil man glaubt, man könne sein christliches Religionsgefühl damit stören – ich denke, unser „Kollege“ würde sich kneifen, um festzu-stellen, ob er träumt, weil er diese Art zu handeln 1. für unwahrscheinlich, 2. für übertrieben und 3. für völlig fehl am Platze hält. Vermutlich böge er sich vor Lachen und hielte sich aus selbem Grund den Rücken, da er ja in das Land gezogen ist, um die Kultur dort kennen zu lernen und den Umgang der dort lebenden Menschen mit Themen, Religionen und Ansichten anderer Völker und Kulturen und somit den Umgang mit anderen Religionen.
Mit platzt der Kragen und gleichzeitig die Hutschnur, wenn ich höre, dass wir eine „Islam-Konferenz“ einberufen, um einen „Beitrag zur Integration der mehr als drei Millionen Mus-lime“ zu leisten. Wenn unser, zwischenzeitlich wohl vertrauter, Christ in ein Land auswan-dert, in dem weder seine Muttersprache gesprochen wird, noch seine Religion die am meis-ten vertretene ist, dann tut der Christ gut daran, sich zu integrieren, das heißt, die Sprache zu lernen und sich den jeweiligen Gepflogenheiten, in kultureller, weltanschaulicher und auch, in Maßen, in religiöser Hinsicht, des Landes anzupassen. Ich denke nicht, dass unser Christ feststellen wird, sich vorstellen kann oder auch nur erwartet, dass für seine Kinder in den Schulen des jeweiligen Landes ein eigener Religionsunterricht oder gar bilingualer Unter-richt angeboten wird, um ihm und seinen Kindern die Integration zu erleichtern – im Leben nicht! Und kein moslemisches oder muslimisches Land auf der Welt beruft eine „Christen-Konferenz“ ein, um den im Land lebenden Christen irgendetwas zu erleichtern oder zu er-möglichen.
Es ist so schade, dass mit diesem ewigen „Buckeln“ aus Angst vor Übergriffen gleich wel-cher Art, eine Integration erschwert wird. Der nette Moslem oder Muslime von nebenan, der besser deutsch spricht als mancher Schüler und der seinen Gebetsteppich im Wohnzimmer als ausreichend empfindet, wird mit den Terroristen „in einen Topf“ geworfen und es pas-siert nichts anderes, als was mit uns Deutschen im Ausland jahrzehnte lang passiert ist: wir wurden für die Taten (zufällig) gleich-stämmiger Menschen zur Verantwortung gezogen, mit denen wir weder etwas zu tun hatten, noch zu tun haben wollten; ja, man hat uns für Taten verurteilt, die wir nicht einmal nachvollziehen oder rechtfertigen wollten. Wir müssen auf-passen, dass wir unseren Nationalstolz und unser Religionsempfinden mehr schützen als die Befindlichkeiten anders-glaubender Menschen, denn sonst verlieren wir unsere Identität und unser Gesicht; wenn wir noch eines haben, was viele ja nach der besagten WM 2006 gehofft und geglaubt haben.
Keiner hat verlangt, dass die Integration der andersgläubigen Mitmenschen bis zur Aufgabe der Religion führt, aber bitte Deutschland, lassen wir es nicht soweit kommen, dass wir unse-re Religion aufgeben müssen, um dem eventuell wahrscheinlichen verletzten religiösem Empfinden vorzubeugen.
Unser Umgang mit dem Islam erinnert an das Motto „Schwimmen ohne nass zu werden“ – wir kasteien uns selbst in der kulturellen und religiösen Freiheit und vergessen dabei, dass es doch gerade in unserem Glauben auch um Toleranz und Miteinander geht. Vielleicht gehen wir demnächst dazu über, unsere Kirchen nicht nur zum Teil, sondern ganz zu schließen, am besten, wir reißen sie gleich ab und bauen noch ein paar Moscheen mehr. Im Gegenzug bau-en wir dann in allen moslemischen oder muslimischen Ländern die hier abgerissenen Kir-chen wieder auf und stoßen dabei bestimmt auf totales Verständnis – Toleranz findet schließ-lich nicht nur hier statt. Wir machen uns zu einer Lachnummer und der Kniefall vor dem Islam gleicht einem Offenbarungseid, in dem wir eingestehen, dass unsere Lebensauffas-sung, Weltanschauung, unsere kulturellen Werte und schlussendlich auch unsere Religion wohl doch nicht das Wahre sind. Da statten wir doch am besten gleich auch christliche Leh-rerinnen mit Kopftüchern aus und schicken unsere Kinder auch in der Islamunterricht, scha-den kann es ja nicht. Wir werden, wenn wir uns immer über-vorsichtig mit den anderen Reli-gionen auseinandersetzen nicht aufeinander zu, sondern voneinander weg bewegen. Dialog und konstruktive Integration kann aber nur funktionieren, wenn wir andere Werte anerken-nen, ohne unsere Werte aufzugeben. Das wird nicht ohne Konflikte gehen, das bringt die Annäherung mit sich. Aber durch Reibung entsteht Wärme und vielleicht ist es genau diese Wärme, die wir in der kühlen, weil vernünftigen, will sagen vom Verstand gesteuerten, Be-trachtung der Schwierigkeiten vergessen und unberücksichtigt lassen. Das Miteinbeziehen des „Bauchgefühls“ ist aber beim Umgang mit Religion unvermeidbar, da sich die gesamte Re abspielt: ist doch der Glauben an eine höhere Macht, an Vorherbestimmung, an Tradition und an die Niederschriften der religiösen Führer mehr als reine Kopfsache.
Bei vielen Menschen, die sich auf andere Kulturen, Weltanschauungen und Religionen ein-lassen, spielt nicht der Kopf und auch nicht der Verstand die erste Geige – hier geht es um „Herzensangelegenheiten“. Die Liebe lässt uns Mauern, die sich in den Köpfen manifestiert haben, mit einer Leichtigkeit niederreißen, die ihresgleichen sucht. Ist das nicht vielleicht der Ansatz, den wir wählen können? Unser christlicher Glaube gibt uns doch durch das Gebot der Nächstenliebe den Schlüssel dazu in die Hand.
Solange es unterschiedliche Religionen gibt, die aufeinanderstoßen, wird es immer wieder Konflikte geben. Wir können weiterhin diskutieren, wie diese Konflikte theoretisch lösbar sind oder wie können anfangen, diese Lösungen zu leben. Im Kleinen funktioniert es doch schon seit Menschengedenken. Aus (falscher) Rücksichtnahme auf radikale Vertreter der jeweiligen Religionen erreichen wir in Deutschland nur eines: die Angst, den Mund aufzu-machen und zu sagen, was uns stört. Das dürfen jederzeit die anderen, aber bitte doch nicht wir. Mit einer solchen Einstellung ist es jedoch sehr schwierig, auf dieses Land, auf seine Werte, auf die Kultur und auf die christliche Religion stolz zu sein. Es ist fraglich, ob es wirklich wünschenswert ist, dass wir auch noch die nächsten 60 Jahre Rücksicht nehmen müssen, Rücksicht, die uns so nicht im mindesten in irgendeinem anderen Land gewährt würde und wird. Und wenn wir jetzt nicht zum Ausdruck bringen, dass wir an unserer Reli-gion nicht rütteln werden, dass wir auf unseren Werten bestehen und dass wir trotz dieser Wertschätzung in der Lage sind, andere Religionen, Kulturen und Weltanschauungen zu dul-den, dann werden wir in naher Zukunft ein Land sein, welches ein Wirrwarr an Werten und keine klare Linie mehr hat. Wir bedauern am laufenden Band den Werteverlust bei unseren Jungendlichen; aber woher soll denn ein Heranwachsender noch wissen, was ihn leitet, wenn selbst Politiker sich nicht zu schade sind, den Werten anderer einen höheren Stellenwert bei-zumessen als den eigenen?
Und wenn wir noch tausend Opern nicht aufführen, aus Angst vor der Verletzung von Ge-fühlen und wenn wir noch zig Islam-Konferenzen einberufen, werden wir immer noch schei-tern, solange wir versuchen, den logischen Weg zu gehen, solange wir Rücksicht nehmen, ohne gefragt zu haben, ob Rücksicht gewünscht ist, solange wir Zitate nicht vehement vertre-ten und solange wir den anderen Religionen immer wieder signalisieren, dass wir gerne auch Fehler zugeben, die wir gar nicht gemacht haben.
Nehmen wir doch unseren, zwischenzeitlich recht lieb gewonnenen, Christenmenschen und lassen ihn abermals in ein moslemisches oder muslimisches Land reisen: mit welcher Taktik führe er denn wohl besser? Wenn er in dem Land stets beleidigt und aggressiv reagiert, so-bald man ihn auf seinen, für dortige Verhältnisse, ungewöhnlichen Umgang mit seiner Reli-gion anspricht? Oder wenn er mit den Menschen, welche ihn auf seinen Glauben ansprechen, Gespräche führt, die nicht auf Konfrontation, sondern auf Respekt beruhen? Und würde sich unser Christ in diesem Land nicht lustig machen, über Präventionsmaßnahmen, die seine religiösen Gefühle betreffen könnten, wenn er davon ausgehen kann, dass niemand seine religiösen Gefühle kennt oder nachvollziehen kann? Ja, würde es in irgendeinem anderen Land auf dieser Welt überhaupt zu vorauseilendem Gehorsam kommen?
Wer Respekt fordert, muss Respekt leben. Wenn wir also die Religion der Andersglaubenden Mitbürger respektieren sollen, dann dürfen wir in unserem Land doch bitte den entsprechen-den Respekt eben dieser Menschen erwarten, oder ist das jetzt wieder zu logisch gedacht? Zu kühl? Wer seine Rechte hier fordert, egal welchen Bereich seines Lebens sie nun betreffen, der hat sich die Regeln zu halten, die in dem Land gelten, das er sich als „Heimat“ ausge-wählt hat. Nicht mehr als das, aber bitte auch nicht weniger. Die Rosinen-Taktik funktioniert nicht, wenn sich der Forderungen Stellende in einem Umfeld befindet, in welchem er eine schwächere Stellung innehat. Und, jetzt nicht gleich wieder beleidigt sein; wenn sich diese schwächere Position aus dem Glauben und der Religion ergibt, dann kann ich als vernünfti-ger Europäer (und sicher gilt das auch für Asiaten, Amerikaner, Afrikaner und Australier) nicht erwarten, dass sich mein Umfeld mir anpasst. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Und wenn wir unsere Position deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dann werden sich diejeni-gen Mitbürger, die anderen Glaubens sind, auch nicht mehr aufführen, wie trotzige Kleinkin-der, welche sich mit den Fäusten auf den Boden trommelnd auf selbigen werfen, um ihren Willen durchzusetzen. Ein bisschen ist das wie bei der Kindererziehung: wenn der Staat nicht will, dass im seine Kinder auf der Nase herumtanzen, dann muss der Staat auch klare Spielregeln vorgeben, an denen seine Kinder sich orientieren können. Diese Spielregeln müssen nicht für alle Kinder nachvollziehbar sein, aber sie müssen für alle Kinder gelten und nicht nur für die, die sich fügen, sondern auch für die, die sich trotzig zu widersetzen versu-chen. Und wenn den trotzigen Mitbürgern diese Regeln nicht passen, steht es ihnen doch frei, sich einen anderen Spielplatz zu suchen und zu schauen, ob sie sich dort über Regeln hin-wegsetzen können.
Dies ist keine Feindlichkeit gegenüber Andersgläubigen oder Andersdenkenden, ich möchte nicht auf die vielen positiven Einflüsse, die wir von anderen Kulturen oder Religionen ge-wonnen haben und die auch unser christlich-geprägtes und kulturell auf eine lange Tradition zurückführendes Deutschland bereichert haben, verzichten. Ich möchte nur, dass sich alle Menschen, die in diesem Land leben, an für alle gültige Regeln halten und nach diesem Re-geln leben. Wenn ich mich entscheide, in ein anderer Land zu ziehen, dort meine Heimat zu finden, dann habe ich die Pflicht, eine Bereicherung für das Land zu sein oder wenigstens kein Störfaktor, kein trotziges Kind, das Theater macht, wenn es seinen Willen nicht durch-setzen kann.
t.b.c.