Der Papppalast

Kurzprosa zum Thema Liebe und Vertrauen

von  apocalyptica


Sie wartete nun schon mehr als eine Viertelstunde in der kleinen Kneipe auf ihn. Auch wenn er sonst immer sehr pünktlich war, machte sie sich dennoch keine Gedanken, denn er hatte neulich noch geklagt, dass er im Büro zur Zeit recht viel zu tun habe. Okay, er hätte ihr eine sms schicken oder sie kurz auf dem Handy anrufen können, aber wahrscheinlich war er zu sehr in seiner Arbeit vergraben und wollte nur schnell fertig werden, um möglichst bald bei ihr zu sein.

In dem Pub war es um diese Zeit meistens recht leer, außer ihr waren auch heute kaum andere Gäste anwesend. Ein junges Pärchen saß hinten in der etwas schummerigen Ecke und knutschte unentwegt. Die beiden fühlten sich allem Anschein nach unbeobachtet und sahen wirklich glücklich aus.

Der Kellner brachte ihr das bestellte Pils und zur Ablenkung begann sie, mit den Bierdeckeln zu spielen. Sorgfältig stellte sie zwei davon gegeneinander und sie erinnerte sich daran, wie sie früher oft mit Freunden zusammen hohe Türme daraus gebildet hatte.

An der Theke holte sie sich einen ganzen Stapel der Pappdeckel und baute mit geschickten Fingern das Fundament. Sie dachte dabei darüber nach, wie sehr sich ihr Leben doch verändert hatte, seitdem sie ihn kannte. Nach einer herben Enttäuschung konnte sie endlich wieder Vertrauen schenken, sie war sicher, dass er sie nie belügen und betrügen würde.

Beim Bau der ersten Etage träumte sie von all der Zärtlichkeit, die sie ständig in seiner Nähe empfand. Ja, sie sehnte sich nach Geborgenheit und Wärme und war bereit, ihr Leben in seine Hände zu legen.

Ein Lächeln erstrahlte in ihrem Gesicht, als sie die zweite Etage installierte und obwohl die Pappen nur leicht aneinander gelehnt waren, schien der Turm doch sehr solide zu werden, er wackelte noch nicht einmal. Sie überlegte daher nicht lange und kam zur dritten Etage. Ja, sie liebte ihn so sehr und genoss jeden Moment seiner Gegenwart. Er würde bestimmt gleich zur Tür hereinkommen, sie umarmen und ihr auch seine Zuneigung  versichern. Da war er ja auch schon!

Er sah müde aus und wirkte arg gestresst, als er sich zu ihr herabbeugte, um ihr zur Begrüßung einen leichten Kuss auf die Stirn zu hauchen. Sofort roch sie das fremde Parfum, sie sah auch auf den ersten Blick die Lippenstiftspuren an seinem Hemd.

Und schon fiel das ganze Kartenhaus in sich zusammen, was blieb…nichts.

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Kommentare zu diesem Text

seelenliebe (52)
(26.04.07)
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 apocalyptica meinte dazu am 26.04.07:
Nein, liebe Anne, manch ein Kommentar versteht sich auch komplett ohne weitere Worte. Aber deine Grüße erwidere ich selbstverständlich, verbunden mit einem ganz lieben Dankeschön von deiner -bea =)
steinkreistänzerin (46)
(26.04.07)
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 apocalyptica antwortete darauf am 26.04.07:
Die Frage ist, liebe Annette, wie schnell man Vertrauen schenken darf, besonders, wenn man eine Enttäuschung hinter sich hat. Aber nicht alle Menschen sind gleich und nicht alle Menschen sind gleich schlecht...im Gegenteil: es gibt auch sehr, sehr viele, die das Vertrauen wert sind!
Ich grüße dich herzlich,
die -bea
jelle (46)
(26.04.07)
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 apocalyptica schrieb daraufhin am 26.04.07:
Nun, Frauen sind ja vermeintlich prädestiniert fürs Zuspätkommen (meinen zumindest manche Männer), aber es geht eben auch andersrum! Ob mit oder ohne Parfumgeruch...das machts dann aus!
Danke fürs Lesen und auch dir liebe Grüße,
die -bea
Schroebibri (48)
(26.04.07)
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 apocalyptica äußerte darauf am 26.04.07:
Hi du Liebe, also zunächst war der "Arbeitstitel" Kartenhaus, aber dann hätte ja eigentlich jeder Leser gleich gewusst, was passiert, oder? Deshalb also der 3P-Palast, bei dem ich mich mit dem Schreiben, also den drei P, auch sehr schwer getan habe! ;) Muss man sich wohl dran gewöhnen, an zusammenstürzende Kartenhäuser lieber nicht, so etwas möchte ich selbst auch nicht unbedingt erleben, tja, und der Dornenvogel wird mich wohl noch eine Weile verfolgen... ;)
Ich grüß dich herzlich und wünsch dir einen schönen Abend,
die -bea
Pfauenauge (49)
(26.04.07)
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 apocalyptica ergänzte dazu am 26.04.07:
Liebe Hanne, ich danke dir für deinen Kommentar und die absolut richtige Einschätzung...nicht, dass alle Männer Schweine sind, sondern dass es wohl immer zwei Menschen gibt, die alles Geschehen beeinflussen! Oh ja, Fehler machen wir alle, unabhängig davon, ob wir nun Männlein oder Weiblein sind!
Liebe Grüße in deinen Abend,
die -bea
zackenbarsch† (74)
(26.04.07)
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 apocalyptica meinte dazu am 26.04.07:
Gut und richtig erkannt, lieber Friedhelm! Andersrum ginge es genauso, auch die Damenwelt spielt den Herren der Schöpfung oft genug übel mit.
Für diese Story war nun mal wieder ER der Böse, die Perspektive spielt aber für den symbolischen Gehalt nun wirklich keine Rolle!
Hab lieben Dank und einen schönen Abend,
die -bea
orsoy (44)
(27.04.07)
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 apocalyptica meinte dazu am 04.05.07:
Liebe Konni, ich danke dir von Herzen für deinen Kommentar. "Vertrauen ist vor allem immer mit offenen Karten zu spielen" ist für mich der Kernsatz daraus und er kommt mir vor wie eine Fortsetzung zu meiner Geschichte. Du hast also absolut klar erkannt, worum es mir ging, darüber freue ich mich mal wieder unheimlich!
Ganz, ganz liebe Grüße in dein Wochenende von der -bea ;)
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