Tochterleben

Text zum Thema Jugend

von  Martina

Susi macht es sich auf der Couch bequem. Eigentlich hätte sie noch spülen sollen, bevor ihre Mutter von ihrem Job nach Hause kam. Sie hatte sie mit einer Leidensmiene darum gebeten.
Aber irgendwie hatte sie einfach keinen Bock darauf.
Sie rekelte sich und nahm sich einer dieser Jugendzeitschriften vom Tisch.
Hmmm...sie blätterte lustlos darin herum und war in Gedanken ganz woanders.
Seit langen schon hatte sie Stress mit ihrer Mutter. Genau genommen, seit sie von ihren Vater getrennt lebten.
Susi war nie mit ihm klar gekommen, er machte ihr nur Vorwürfe. Nichts war gut genug was sie tat. Und dann immer seine Verbote. Nichts konnte Susi sich erlauben. Keine Alkohol, keine Zigaretten und abends neun Uhr im Hause sein.
Dabei war sie doch damals schon 15 Jahre alt. Warum konnte er sie nicht wie eine Erwachsene behandeln, so wie ihre Mom.
Mom hatte sich immer für sie eingesetzt und Partei ergriffen.
Dauernd lagen sie im Streit, weil er ihr vorwarf, zuviel bei dem Kind durchgehen zu lassen.
Susi sah das gar nicht ein. Irgendwann zerbrach die Ehe und Vater zog aus.
Nun war die Mutter gezwungen sich zwei Arbeitsstellen zu nehmen. Das machte sie jetzt schon 3 Jahre.
Nach dem sie 8 Stunden in der Firma malochte, fuhr sie abends noch Taxi.
Schließlich wollte sie, dass es der Tochter gut ging und sie nichts entbehren musste.
Manchmal fragte Mom sie, ob sie sich nicht auch endlich mal nach einem Job umsehen wollte.
Aber irgendwie bekam Susi nicht den Dreh. Allein die Vorstellung, dass sie morgens um 6 Uhr schon aus dem Bett sollte! Grausam...
Warum sollte sie auch, so lebte es sich doch auch ganz gut. Sie hatten Telefon und Internet- Flaterate, so konnte sie den ganzen Tag mit Freunden telefonieren und chatten und abends zog sie mit ihren ehemaligen Schulfreundinnen durch die Stadt.
Am Anfang wollte ihre Mutter, dass sie wenigstens etwas im Haushalt mithalf, aber daraus wurde auch nichts. Sie hasste Hausarbeit...
Nun kochte Mom schon abends das Mittagessen für den nächsten Tag.
Susi drehte sich auf die andere Seite. Irgendwie sah Mom gar nicht gut aus. Ihre Augen hatten tiefe Ringe und beim Friseur war sie auch schon lang nicht mehr.
Sie ließ sich richtig gehen, fand Susi und überlegte, ihr mal zu sagen, dass es ihr peinlich war, wenn ihre Freundinnen sie so sahen. Sie könnte wirklich mal ein bisschen mehr Wert auf ihr Äußeres legen.
Susi stand auf, warf gelangweilt die Zeitung auf den Boden und ging in ihr Zimmer. Dort zog sie sich um und gab ihr Zeug von heute Morgen in die Wäsche. Sie wollte sich gleich mit ihrem Freund treffen und er stand darauf, wenn sie schwarz trug.
Frisch frisiert und geschminkt ging sie wieder in die Küche. Die Utensilien blieben verstreut im Bad liegen. Mutter würde sie schon wegräumen. Genauso wie sie die Dusche putzen würde und alles andere was im Laufe des Tages so liegen blieb. Ach ja, seit Vater weg war, ging es Susi viel besser. Sie traf ihn höchstens einmal in der Woche, da steckte er ihr meist etwas Geld zu. Susi wußte genau, wie sie ihren Dad um den Finger wickeln konnte. Zum Geburtstag würde sie sich von ihrer Mutter den Führerschein wünschen und von ihrem Vater das Auto. Mutter würde es schon schaffen, sie brauchte doch nur ein paar Überstunden machen, dann würde es locker gehen.
Susi durchquerte den Raum, warf noch einen Blick auf die Spüle mit dem schmutzigen Geschirr und verschwand. Wenn sie wiederkam, würde Mutter schon wieder für Ordnung gesorgt haben, falls sie nicht grad über Rückenschmerzen klagte. Sie wurde halt älter. Ein Grund mehr das Leben jetzt genießen zu wollen, dachte Susi und machte sich auf den Weg zur Eisdiele.

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