Dann reißt die Zeit.

Skizze zum Thema Unfall

von  Owald

In diesen Tagen sind verstaubte Lieder
in meinem Kopf, die leise leiernd klagen,
die fast vergessnes Sehnen mit sich tragen,
die mich betören, fesseln und dann wieder

zerschmettern, auf die feine, leise Weise.
Mein Werden tönt aus einem Grammophon,
die ganze Welt besteht aus schierem Ton.
Ich klinge mit und kreise, kreise, kreise.

Dann reißt die Zeit. Vorbei das Klingen.
Die Platte bricht, die Nadel sticht ins Leere, und mir bleibt nur, selbst zu singen
vom Werden und vom Sehnen, von den ausgeperrten Fragen,

doch tonlos stockt mein staubverstopfter Mund.
Ich laufe nicht mehr rund
in diesen Tagen.

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Kommentare zu diesem Text

janna (60)
(09.09.09)
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 Martina (09.09.09)
Oh ja, der letzte Satz....solche Tage kenne ich auch.
Liebe Grüße zu dir, Tina.

 Isaban (09.09.09)
Eigentlich ein Sonett der englischen Art, zumindest was S3 und 4 betrifft. Während die beiden ersten Quartette noch brav im umarmenden Reim auftreten, zeigt das zerrupfte dritte Quartett den Shakespareschen Kreuzreim und auch der wird noch mal verzerrt.

Quartett 1 und 2 gefallen mir sehr gut - und die Terzette sind unrund, aber das sollen sie wohl sein.
Für meinen Geschmack (wirklich nur ein Geschmacksurteil) wird das Unrunde allerdings zu dick aufgetragen, zeigt sich nicht nicht nur inhaltlich und im Bruch der äußeren Form, bricht auch das Reimschema - und zwar mehrfach, zeigt nicht nur den im Thema angedeuteten Unfall, sondern einen regelrechten Total-Crash, eine Art Formbruchexplosion, die im (ebenfalls zerrissenen) Couplet austropft, wie ein Unfallopfer, das verblutet - oder, in etwas milderer Interpretation: Wie ein Brand, der am Schluss nur noch leise qualmt.


Ich schreib dir mal in Klammern an den Rand, was mir beim Lesen von S3 und 4 durch den Kopf ging.

Um es noch einmal ausdrücklich zu sagen: Ich habe mich ausgesprochen gerne mit diesem Text beschäftigt.

Liebe Grüße,

Sabine


Dann reißt die Zeit.Vorbei das Klingen. (gefällt mir ausgesprochen gut!)
Die Platte bricht, die Nadel sticht ins Leere, und mir bleibt nur, selbst zu singen (bis zum 2. Komma toll, der unsichtbare Trochäus im angehängten Vers danach ist mir - zusammen mit all den anderen Brüchen ein Hauch Fraktur zu viel)
vom Werden und vom Sehnen, von den ausgeperrten Fragen, (gefällt mir inhaltlich auch, nur stören mich diese Allover-Splitterbrüche, hier das fehlende Reimwort auf "Leere" - eigentlich ein gutes Stilmittel, aber so geknubbelt angewendet verliert auch das schönste Stilmittel die Wirkung. Wie wäre es anstelle des "Sehnens" mit "vom Werden, von der Schwere, von ausgesperrten Fragen"?)


doch tonlos stockt mein staubverstopfter Mund. (das "staubverstopft" ist genial, die Dreifachmischung aus st und sp stopft jedem beim ersten Lesen - zumindest für ein kurzes Stocken - den Mund, wirkt also, wie es soll)
Ich laufe nicht mehr rund
in diesen Tagen. (auch dieser Bruch gefällt mir. Wie gesagt: Nur die Anhäufung all dieser sehr starken Stilmittel auf engstem Raum nimmt dem Gesamtbild zu viel der Wirkung. Weniger wäre hier mehr.)
locido (22) meinte dazu am 09.09.09:
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 Sylvia (09.09.09)
Auf eine nostalgische Reise hast du mich mitgenommen, die schmerzhaft zu einem Ende führt, dass mich berührt und irgendwie hilflos auch zurück lässt....

Gefällt mir gut

Lieben Gruß
Sylvia
locido (22)
(09.09.09)
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BBA (43)
(09.09.09)
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Misanthrop (31) antwortete darauf am 10.09.09:
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Leyla (29) schrieb daraufhin am 18.09.09:
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Familie Kratzenburg (8)
(09.09.09)
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 Bergmann (11.09.09)
... Mein Werden tönt aus einem Grammophon...
Ich weiß nicht.
Aber sonst, nicht nur formal ein sehr interessantes Sonett!
Herzlichst: Uli
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