Mein Herz tanzt, deins schimmelt chérie.

Erzählung zum Thema Herz

von  SunnySchwanbeck

Behutsam drückst du den kleinen Brief an dein viel zu schnell pochendes Herz. Atmest tief ein und läufst mit klackernden, roten High Heels die geschunde Straße entlang.
Du wirkst leuchtend, schneeweiß und zitternd stehst du neben dem strahlend gelben Briefkasten, schaust dich mit Paranoia auf den Lippen um, nach mir, nach unseren Parkbank-Gesprächen, unserem mit Zigarettenrauch geschwängerten Lachen und meiner Hand in deiner. Bitterkeit fließt aus deinen Augen und du wirfst mit dürren Fingern, an deren Enden Frenchnails klaffen, den Brief ein. Unser Ende.

Ich sitze alleine mit der roten Teekanne, die mit den weißen Punkten drauf, in unserer siffigen Altbauwohnung auf dem Boden. Zähle die Schatten der Mäuse die sich an die vergilbten, lindgrünen Wände pressen und rauche deine Zigaretten auf.
Du bist fort. Hast mein Reden mitgenommen, mein Lachen, und meine Hand fühlt sich leer an ohne deine. Die zerknickten Polaroids um mich herum habe ich aus deiner Schatztruhe geholt. Du hast sie hier vergessen, rede ich mir ein, du hast sie mitnehmen wollen, doch es war kein Platz mehr in deinem neuen Leben, für die Fotos, die Briefe, die getrockneten Fliederzweige. Aber größtenteils, für mich.
Die große Karriere wolltest du, immer schon. Als ich dich kennen lernte war dein Lippenstift verschmiert und deine Strumpfhose hatte eine Laufmasche. Doch du hattest dieses Lächeln. Dieses Lächeln dass mich jeden Morgen daran erinnerte dass wir alle einmal die Welt verändern wollten, ob früher als Kind mit dreckigem Gesicht und Schaufel oder erst Gestern Nacht mit Gin und deinem Lachen in meinen Ohren.
Dieses Lächeln dass, nun künstlich und maskenhaft wirkt. Eingefangen im Speicher einer Spiegelreflexkamera, begafft von kleinen Fotografen die auf deine Titten starren und dir sagen wie hübsch und schlank du bist.
Ich komme mir unendlich klein vor. Und suche nach einem Wort was das innere nichts-sein beschreibt. Blättere durch deine Mappen in denen Wörter aufgeklebt sind die wir zusammen in Nachtschattennächten suchten und Stunden lang anstummten.
Auf der letzten, vergilbten Seite steht in schwarzen Lettern „Eifelturm.“

Du zupfst an deinem Ballonrock und begutachtest deine viel zu hohen, beigen Schuhe. Lehnst an einem der mächtigen Stahlpfähler und drehst gelangweilt an deinen schwarz gefärbten Locken. Die Menschen um dich herum leben. Sie wuseln umher und lachen viel zu laut. Es ist wie eins von den Bildern die ich früher als Kind immer von meiner Mutter gezeigt bekommen habe, ich sollte das Objekt suchen, welches nicht in das Gesamtbild passt. Da war zum Beispiel eine Kuh im Weltraum, eine Palme in der Antarktis oder du und dein tanzendes Herz zwischen Bistros und Pantomimen. Vorsichtig hole ich die schwere Polaroidkamera aus meinem schwarzen Rucksack und gehe auf dich zu. Du starrst in die Ferne und deine Kälte rammt mir Eiszapfen in meine Knie, sie werden weich und ich schwanke, taumele gegen den Eifelturm und für einen Moment der kindlichen Angst, fürchte ich er könne umkippen und dich und deine Schönheit zermalmen.

Ich drücke den Auslöser, fange deine Silhouette ein, liege zusammengerollt auf dem sonnen gewärmten Beton, Höre dein pochendes, tanzendes Herz.
Und rieche zum ersten Mal den Gestank von verschimmelten Herzen und vergessener Liebe.


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

Irgendwie keksig.

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Kommentare zu diesem Text

Profilaxeschrei (49)
(09.07.10)
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 SunnySchwanbeck meinte dazu am 10.07.10:
Vielen dank (:
Songline (45)
(09.07.10)
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 SunnySchwanbeck antwortete darauf am 10.07.10:
Ich danke dir, war mir zuerst nicht sicher ob dieser Satz da überhaupt so rein passt. Kuss mit Sonne, Sunny.

 Unbegabt (10.07.10)
irgendwie großartig.

 SunnySchwanbeck schrieb daraufhin am 10.07.10:
irgendwie liebe ich dich.
kleinerflirt (47)
(20.07.10)
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managarm (57) äußerte darauf am 20.07.10:
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supernova (51) ergänzte dazu am 20.07.10:
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 SunnySchwanbeck meinte dazu am 21.07.10:
dankow! :O
Innocentia (18)
(11.08.10)
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 Dieter_Rotmund (15.01.20)
Zähle die Schatten der MäuseKOMMA die sich an die ...

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