Du hättest nicht gewollt, dass ich über uns schreibe.

Geschichte zum Thema Geborgenheit/ Wärme

von  SunnySchwanbeck

"Du bist nur noch unterwegs, isst nicht mal mehr was. Ich find das nicht gut." Sie sitzt auf ihrem üblichen Platz unserer durchgesessenen Ledercouch. Die Lesebrille ein Stück zu weit unten auf der Nase, die Zeitschrift halb geknickt in ihren ledrigen Händen. Sie blickt mich über die runden Gläser sorgsam an und erwartet irgendeine Reaktion. "Ich kauf mir unterwegs was." Ist alles was ich rausbringe, bevor ich mir deine Jacke über den Arm lege, meine Köpfhörer in die Ohren stecke und vorsichtig die Tür hinter mir schließe. Im Hausflur höre ich sie noch zetern, warum nichts mal rund laufen kann, unweigerlich muss ich lächeln und ihr insgeheim zustimmen. Der Weg zur Brücke ist der selbe wie seit acht Jahren, Straße hoch, rechts, links, über die Schienen und schnell in den Schutz der hohen, grauen Mauern. "Na." Du lächelst ein bisschen und schnippst deine Kippe in das nasse Gras das unseren Weg säumt. "Selber na." Sage ich, etwas aufgeweckter als ich eigentlich bin. Wir umarmen uns und ich habe das Gefühl erst durch deinen Arm um meine Schultern wacht mein Körper auf. "Bierchen?" Mit einer gekonnten Bewegung öffnest du das billig Bier mit deinen Zähnen und reichst mir eine Flasche, bevor du dir selbst eine öffnest. "Danke." Wir steigen die kleine Treppe hoch, um im Schutz der Brücke auf einer schmalen Plattform zu sitzen, du gehst vor, hälst mir das aufdringliche Gestrüpp vom Leib und bringst mich damit zum lachen.

"Wir sind verrückt." Sage ich, noch bevor ich mich im Schneidersitz an der dreckigen Wand hinabgleiten lasse, du zuckst mit den Achseln und erwiderst nur ein knappes "Na und?" Deine Art macht so vieles leichter, denke ich. Und sage es auch, denn wenn wir zusammen sind, kann alles gesagt werden. Der Tag schreitet voran und wir lassen die Zeit an uns vorbeiziehen, ohne ihr unsere Beachtung zu schenken. Es dämmert schon und deine Musik gefällt mir. Ebenso wie deine Hand in meinem Haar und mein Kopf in deinem Schoß. "Angenommen," beginne ich. "Du hättest dein eigenes Land." Ich blicke zu dir auf und suche die hochgezogenen Augenbrauen und dass zweifelhafte in deinem Blick, doch dort ist nichts. "Wie würde es heißen, und wie würde deine Flagge aussehen?" Du überlegst lange, zündest dir noch eine Zigarette an und streichst mir über meinen Arm. "Humoria." Sagst du trocken, und ich muss lachen denn da gäbe es keinen Namen der besser passen würde, und das wissen wir. Den restlichen Abend verbringen wir mit merkwürdigen Fragen und dem Genießen dieser einzigartigen Nähe die wir einander geben, ohne dabei das Herz des anderen zu berühren. Die letzten Tage lassen meine Lider schwer werden, und wenn ich ehrlich bin trägt meine fünfte Flasche Bier auch ihren Beitrag bei. Mit dir kann man schweigen, man kann sich die Zeit nehmen nachzudenken, und man weiß, du denkst das selbe.

Wir stehen vor meiner Haustür, es ist keiner dieser angestrengten Abschiede, du umarmst mich, küsst mich, nimmst dir noch eine Kippe und verkabelst dich mit deinen Kopfhörern, wir lachen und ich ziehe den Reißverschluss deines Pullis hoch, bevor ich mir die Kapuze aufsetze und meine Tür aufschließe. "Bis Morgen." Sagen wir, und diese zwei Worte sind der Grund um Morgen aufzustehen.


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

M.

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