Ich servier' dir Düsseldorf mit einem Glitzerschirmchen.

Geschichte zum Thema Du und Ich

von  SunnySchwanbeck

Bahnhof. Mal wieder. Ich stell mich in den Raucherbereich und schau nervös auf mein Handy, dein Zug sollte schon vor fünf Minuten hier sein, und meine Kippen sind auch alle. Du wirst dich über meine Fingernägel aufregen, zu lang und schwarz lackiert. Du wirst sie abschätzend angucken und eine Bemerkung darüber machen, wie ich mit meiner blassen Haut, meinen hellblauen Augen und meinen feuerroten Haaren nur so eine Farbe wählen konnte. Ich rede lieber über Nagellack als über den letzten Fehler, das weißt du. "Gleis Zwölf, Einfahrt RE13 aus Hagen, Richtung M'Gladbach Hauptbahnhof." Ich krieg Gänsehaut, der Zug bringt Kälte mit sich und innerlich stelle ich mich darauf ein, schonmal alle Masken fallen zu lassen, bevor du sie mir aus dem Gesicht reißt. "Schwänchen." Du grinst, selbstgefällig und sicher, wie auch sonst. Ich mag das, wenn ich schon nicht sicher bin, dann wenigstens du. Wir umarmen uns lange, du riechst nach deinem ekelhaften Route 66 Tabak und dem Deo, das viel zu viele Männer tragen und mich an mindestens zwei erinnert. Du trägst ein Subway to Sally Shirt, eine graue Röhre und zwei verschieden farbige, abgefuckte Chucks. Deine Sturmhaube hast du umgedreht und trägst sie jetzt als einfache Mütze die dein markantes Gesicht umrahmt und deine langen Haare versteckt. Wir schlendern die Treppe hinunter und steuern auf die Ubahnstationen zu, wir reden über belangloses, und als die erste Ubahn an uns vorbeirrauscht rieche ich den bekannten Geruch von Mary Jane der sich mittlerweile in deine Haut gebrannt hat. Ich krieg Gänsehaut und habe das Gefühl als würde sich mein Magen eigenhändig auswringen. Heinrich-Heine-Allee. Kiosk ansteuern, Bier, Kippen, wir machen unserem Erscheinungsbild alle Ehre, meine zerrissene, kurze Hose, die abgerantzen Chucks, die Haare die irgendwas zwischen Rot, Lila und Orange sind, das tief ausgeschnittene schwarz-rote Leotop dass ich mal von irgendwem geschenkt bekommen habe, Glöckchen um den Hals, eine gekonnt durch meinen Tunnel gefriemelt, meine Strumpfhose hat Laufmaschen und die Buttons auf meiner schwarzen Armeetasche bringen dich zum lächeln. "Ist das dein ernst?" Wir sitzen auf einer Wiese an den Kasematten, unter einem Baum aus Angst ich könne Sonnenbrand bekommen, du sitzt mir im Schneidersitz gegenüber, hälst deine Bierflasche fest und penetrierst mich mit deinen kühlen Augen. "Du brauchst jemand starken, das weißt du hoffentlich. Glaubst du wirklich so jemand kann dir irgendwas von dem bieten, was du brauchst?" In deiner Stimme schwingt dieses Lachen mit, dass du immer lachst wenn dir jemand unterlegen ist. Ich ringe mit Worten die entschuldigen sollen, wieso er so ist wie er ist und wieso ich mir ihn ausgesucht habe und gleichzeitig weiß ich, dass du jede Ausrede entkräften kannst. "Er versteht meine Texte nicht." Ist alles was ich rausbringe, du lachst ein bisschen und zupfst am Gras rum. "Tun viele nicht." Ich atme tief ein und schaue aufs Wasser. "Es ist eine Abhängigkeit." Ich lege mich ins Gras und beobachte die Sonne, wie sie versucht durch das dichte Blätterdach zu scheinen und sanft mein Gesicht liebkost. "Ja, er von dir. Wie auch sonst." Du legst dich neben mich und die Stille die folgt kriecht in meinen Kopf und lässt Entschlüsse aushärten die beim anfassen Fäden ziehen. Wir stehen nach einer Zeit auf, torkeln aufs Apollo zu und verbeugen uns vor dem gut gekleideten Personal, ehe wir gehoben fragen, ob wir ihre Toilette benutzen dürfen. Ihre Blicke werfen Steine nach uns, doch das sind wir gewohnt. Als wir wieder hinausgehen, hake ich mich bei dir ein und laufe auf Zehenspitzen mit dir den roten Teppich entlang, verbeuge mich vor zwei Großmütterchen und beklage mich über das Wetter. Wir lachen laut und gehen Richtung Altstadt, du erzählst mir von deiner Band und eurem letzten Gig den ich verpasste, weil ich bei ihm war. An der Kapuzinergasse angekommen begrüßen mich die alt eingesessenen Punks mit erhobener Bierflasche und lautem Gegröle. Ralf nimmt mich in den Arm und lächelt sein Zahnloses lächeln, während Doses Hund um meine Beine streicht stellst du dich vor und gibst eine Runde Kippen, zur Freude der anderen. Wir teilen unser Bier mit ihnen und sie ihre Geschichten mit uns, andächtig hören wir Dose zu wie er letztes Jahr nach Paris getrampt ist und es ist einer dieser Momente, die ich nur mit dir erleben kann. Es beginnt zu dämmern, du streichelst den Hund nochmal, und wir verabschieden uns. Laufen quer durch Düsseldorf, auf dem Weg zur Kö, du rauchst bestimmt drei Kippen auf dem Weg und wir schweigen während wir in unseren Köpfen diejenigen verurteilen die ihre Gucci Taschen neben uns schwingen. Auf einer Bank gegenüber einer alten Telefonzelle setzen wir uns hin, schauen auf die leuchtenden Lichter der Autos und ich erinnere mich daran, wie mein Vater früher immer mit schweren, schwarzen Autos und mir durch die Stadt fuhr, damit ich schlafen konnte. "Du weißt dass es einmal dazu kommen wird, dass du bei mir aufwachst." Die ernsthaftigkeit deiner Worte lässt mich frösteln und ich nicke halbwegs, während eine Stimme in meinem Kopf flüstert; "Denk nicht an die Zukunft, denk einfach nicht dran."


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

2012.

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