In der Hoffnung wohnte er allein

Erzählung zum Thema Einsamkeit

von  Bella

Manchmal war ihm so, als würde niemand ihn mehr hören und sehen. Er lebte nur noch in seinem eigenen Kopf, zwischen Ideen und Depressionen, gefangen in seiner tiefen Welt der geistigen Erfahrungen.
Draußen standen die Menschen, teilnahmslos, blind und stumm. Seine Erwartungen an sie, wenn er vorbeiging, ließen sie kalt und dumm zurück. Er ging weiter, allein. Er fand selten jemanden, mit dem er etwas teilen konnte. Er fragte sich viel. Und die Leute, wenn er sie traf und ein guter Tag war: nach ihrem Leben, einem inneren und einem äußeren. Oder er dachte, er hätte sie gefragt.

Jedes Buch, dass er sich sorgsam auswählte, jeder Gedanke, den er vorsichtig einfing, gesellte sich zu einem alles verbindenden Netz von Anschauungen und Wahrheiten. Sein Interesse an der gedachten Welt war unersättlich. Doch umso reicher sein Innenleben wurde, desto ferner wurden ihm die lebenden Menschen. Unter allen Wesen verstanden ihn nur die großen Bäume und die kleinen Tiere, denn sie verlangten nicht mehr als seine Aufmerksamkeit für ihre Schönheit und fragten nicht, ob er sie in dieser Realität oder etwa nur in einer vorgestellten Welt sah, als Teile eines mächtigen und schönen, still sich entfernenden Lebens.

Als er älter wurde, veränderten sich seine Gesichtszüge und wurden unsymmetrisch. Zwischen runzliger Erschöpfung zeigten sich seltene Momente des völligen Austretens aus seinem Kopf, als wenn dieser runder und weicher werden würde – etwa, wenn ein kleines Baby an ihm vorbei geschoben wurde oder ein ungeduldiger Hund an seinem Bein schnupperte und ein bisschen dort verweilte.

Mit der Zeit wurde er krank, und versuchte, diese Erfahrung in seine gedankliche Welt einzuordnen. Es gelang ihm nur zum Teil. Und mit der zunehmenden Schwäche seiner Organe stieg ein lange verstecktes Gefühl an die Oberfläche seines Körpers und schob sich zwischen die Falten in seinem Gesicht. Einige sahen es, wollten es auffangen. Doch er konnte sich nicht mehr in sie einfühlen, es nicht halten. Das Gefühl verschwand in den Matratzenfalten unter dem plattgelegenen Laken auf seinem Bett.

Er wusste wohl, er hatte den Menschen überschätzt. Niemand wandelte in den weiten Gartengewölben zwischen riesigen Bäumen und Lieder dichtenden Vögeln, die sich auf breiten Ästen niederließen und von der Wahrheit sangen. Niemand hat sich je dort mit ihm getroffen. Keiner wagte überhaupt, sich Einlass zu erbeten.
Wusstest du nichts von diesem Ort? War er uns gleich?

Ich hätte ihn gern nach seiner Hoffnung gefragt.

Bevor er sie vor uns abgeschlossen hat. Seine einsam erhabene Welt, in der er starb. Alleine.

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Kommentare zu diesem Text


 franky (07.05.13)
Hi liebe Bella,

Sehe ich das richtig, dass du hier über einen Menschen schreibst, den du durch eine schlimme Krankheit begleitet hast. Der Text erzählt von tiefer Teilnahme an seinem Schicksal.
Echt gut geschrieben.

Liebe Grüße

Franky

 Bella meinte dazu am 07.05.13:
Lieber franky,

ich habe das genau so zum Glück nicht erlebt, kann mir aber vorstellen bzw weiß, dass es viele dieser einsamen Menschen gibt, für die sich vielleicht sogar jemand interessiert, aber nicht genug, so wie sie es brauchen könnten. Vielleicht auch, weil es kaum möglich ist. Danke für deinen Kommentar! Einen ganz herzlichen Gruß,

Bella
Dewynn (28)
(31.05.13)
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 Bella antwortete darauf am 01.06.13:
Danke dir! :)
managarm (57)
(17.07.13)
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 Bella schrieb daraufhin am 17.07.13:
Ganz bestimmt nicht :) Danke für deinen Kommentar und die Empfehlung! Eine gute Nacht mit schönen Tier-Baum-Bücher-Träumen wünscht Bella!
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