Mischeks Schlaf

Skizze

von  m.o.bryé

Es dämmert. Ich bin nicht sicher, wo Westen ist, aber die Kälte hat mehr was von Abend als von Morgen. Meine Hose hängt in den Fensterresten. Bin ich wohl nackt. Liegt doch noch viel Schnee. Anders wär ich phyisch ungleich derangierter.
Kein Mensch unterwegs, ist doch ein Witz, diese ganze Weltuntergangsstimmung. Ich kam ja auch raus.
Bin allerdings etwas eingesackt. 37°C ist ja auch mehr als Schmelztemperatur. Mit den halbstarren Fingern stemm ich mich hoch, ist alles schwerer, so in kalt. Und instabiler, mit kleinerer Auflagefläche, die Füße sinken tief. Ich lang weit nach vorn mit den Krallenhänden und zieh mich. So à la robben funktioniert ganz gut. Die Kristalle legen sich schief an den Muttermalen und Härchen auf meinem nackten Körper.
Hat das Telefon eigentlich aufgehört zu klingeln, bevor ich gegangen bin? Hm. Ich hätts ohnehin abmelden sollen. Was soll die Heuchelei? Ich rück meine Nummer ja nicht raus.

Mein Traum eben:

Engel keucht und watet durch verschlickte Wolkenmasse.
Stimme: Prometheus!
Engel stürzt und stemmt sich mühsam aus dem fluffigen Schlamm.
Stimme: Hermes!
Engel wird langsamer.
Stimme: Scheiße, wie heißt du, Bote?
Engel faucht.

Engel treibt im Schlick.
Stimme: Sag doch.
Engel: Die Erde ist tot.
Flashback: Implodierende Erde.
Stimme: So?
Engel: Ein Biounfall.
Stimme: Weiter?
Engel: Ein Staubring.
Stimme: Amusing.

Sollte Ökoterrorist werden. Es gibt ja einiges an Tendenzen. Aber ich steh auf Mikrowellenfischstäbchen, das wär kontraproduktiv. Ach, verdammt. Irgendwie ja prophetisch, dieses watende Schlammgefühl. Will nicht aufstehn. Will einfach weiterrutschen. Jemand sitzt auf meiner unteren Wirbelsäule, denk ich. Und vielleicht jemand in den Halswirbeln. Irgendwelche fetten Menschen. Mein Mund schabt durch den Schnee, ich hab Eis an den Zähnen. Schmelzwasser sammelt sich in meinem Mund, es schmeckt fad und kratzt an der Zunge. Der Schatten meines Kopfs im Weiß ist kaum dunkel. Es spiegelt und blendet. Weiß drückt auf meine Lider. Die Kälte sickert in diese Lider, die schwer sind. In den Schnee greifen und ziehen. Die fleischroten Kuppen durchs Eis stoßen und die Arme aus den Schultern reißen. Jetzt geht nichts mehr weiter. Mein Kinn schlägt durch die scharfe Kruste, ein Schnitt brennt am Mundwinkel vorbei. Das Eis wird weich und drückt an den Kopf. Wasser schiebt sich an meine Lippen.
"Blubb", mach ich.
Oh, I feel so emolike, denk ich. Zum Atmen schlag ich den Kopf schief und sag noch: "Auf ein Dach wär gut." Das Schneefeld um mich reicht fast bis zu den Regenrinnen.

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