Jahrlang habe ich Sprachunterricht gegeben. Es kommt eine andere Regierung an die Macht. Plötzlich brauche ich eine „Zulassung“ für die seit Jahren erfolgreich ausgeübte Tätigkeit.
Gut, denkst Du Leser, da will halt die neue Regierung prüfen, ob die Sprachlehrer noch auf den neuesten Stand sind. Ich spare mir natürlich irgendwelchen juristischen Blabla der Rechtfertigung und rechtlichen Legitimierung der neuen Lizenz. Es ist deren gutes Recht.
Diese Prüfung kostet Geld.
Wundert das?
Woran denkt man? Was vermutet man, was steckt dahinter, dass jemand, der sich bislang bewährt hat, eine neue Bewährungsauflage zu erfüllen hat (und dafür einiges von seinem sauer verdienten Erworbenen für eine schlecht honorierte gute Arbeit hinblättern muss?)
Vermutet man vielleicht schleichenden Alzheimer, den die erprobten Lehrer heimgesucht hat oder man andere Krankheiten geistigen Verfalls rechtzeitig prophylaktisch testen muss?
Als könnte man seine Muttersprache vergessen. - Aber ist schon Ok, Unterrichten spielt in einer anderen Liga. Also lassen wir diese Auseinandersetzung. Gesetz ist Gesetz.
Nun, was sagen Sie dazu, wenn ich behaupte, die neuen Multiplikatoren, Prüfer, Tester der Zulassung erwecken den Anschein der Inkompetenz? Dass sie es sind, behaupte ich hier - zumindest mein Lehrer, der mich auf Herz und Nieren hinsichtlich der methodisch-didaktisch-inhaltlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten für diese Zulassung prüfen durfte.
Dabei hat diese Fachkraft, von der neuen Regierung ausgesendet, um im Land nach dem Rechten zu forsten, sogar ein Buch, ein Fach- und Sprachbuch für den hier zur Debatte stehenden Integrationskurs zum Erwerb der deutschen Sprache publiziert.
Okay, wundert keinen, dass diese Fachkraft selbst ein Sprachbuch für diesen Sprachunterricht herausgebracht hat, denkt manch einer. Das unterstreicht nur deren besondere Voraussetzung, andere Lehrer prüfen zu dürfen, nicht wahr?
Jedenfalls diese Person da, die vor mir da vorne, der ich wieder hinten die Schulbank drücken darf, äh, muss, sich vor mir produziert als sei sie der wahre Messias in Person in Sachen deutscher Sprachreligion, wedelt zur Unterstützung dessen mit seinem staatlich anerkannten, frisch gepressten Sprachbuch-Bibel. Dabei ist dieses nur eines von anderen gut ein Dutzend staatlich anerkannter Fachbüchern, die am Ende des Seminars mit einer Analyse hinsichtlich eines wichtigen Aspektes des Sprachunterrichts für Integration analysiert werden kann.
Dass der heutzutage hoch im Kurs stehende Gelderwerbs- und Geschäftstrieb hier zur Geltung kommt, ist das eine. Wenn jedoch der Sprachlehrer, wie ich, der auf dem Prüfstand steht, sich plötzlich wie ein Affe am Hinterkopf kratzen muss, als er den Titel liest, dann ist das etwas anderes. Mit einmal taucht nämlich die grundlegende Frage auf hinsichtlich der Kompetenz dieser Fachreferentin. Falsche Propheten, nennt man das doch.
„Ja genau!“, so der Titel, erschienen in einem der renommiertesten Schulbuchverlage unseres Landes.
Fällt dem Laien, Sie lieber Leser, wozu ich Sie jetzt einmal zählen möchte, an diesem Titel nichts auf?
Nein?
Kein kleiner Fehler, zumindest eine Fragwürdigkeit?
Vielleicht Satzzeichen?
Nein, Ausrufezeichen geht schon in Ordnung. Vielleicht an anderer Stelle ein Satzzeichen?
Ich leiste hier Hilfe.
Folgende Satzzeichen stehen zur Auswahl: . , : ; ! ? – ich glaube, das war’s.
Eines könnte vielleicht Anwendung finden in diesem Satz?
Nein?
Ja?
Nein.
Ok, ich gebe ein Beispiel.
Huch mir rutscht der BH herunter.
Nun?
Nichts?
Nun, lesen Sie es mal laut vor sich hin! Achten Sie auf eventuelle Pausen beim Lesen.
Bedenken Sie, bei einer längeren Pause kommt ein Punkt, bei einer kürzeren ein Komma.
Lesen Sie den Satz bitte noch einmal!
Huch mir rutscht der BH herunter
Sie haben verstanden, dass nach dem Huch eine Pause kommt und folglich ein Komma. Sehr gut.
Nun ist es nicht mehr schwierig, unseren Satz zu analysieren und mit den richtigen Satzzeichen an der richtigen Stelle zu markieren.
Hier der Satz: „Ja genau!“
Sie haben es gemerkt, ja!
Was soll man also davon halten, wenn ein Metzger statt mit Fleisch mit Käse hantiert und diesen mit einem Hackbeil bearbeitet statt mit einem eleganten Schnittmesser?