Grottenolme

Kurzgeschichte zum Thema Arbeit und Beruf

von  Ephemere

Sie saßen im selben Raum, aber nie im selben Boot. Sechs Männer und drei Frauen der zweiten Garde; neun raumgreifende Egos, neunmal der Irrtum: Leere mit Karriere aufwiegen. Die Tragik: alle hatten sie es dabei nicht so weit gebracht - und würden das auch nie - wie sie es von sich und der Welt erwartet hätten. So fühlte ein Jeder sich als der Seher unter Tagträumern, der Bergsteiger im Flachland. Sechsmal etwas zu teure Uhren und zu hippe Brillen. Dreimal etwas zu viel Rouge und etwas zu sehr gestärkte Hemden, die zu weit offenstanden. Neunmal zu viel Eau de Cologne. Wenig Sauerstoff, wenig Zeit; Erwartungsdruck, der nach guten Ergebnissen rief. Fürs Unternehmen, sprach man. Für meine Unternehmung, meinte man. In herzlicher Abneigung einander verbunden, da sich innerlich bewusst, dass man sich keilte um das, was von jenem Tisch herunterfiel, an dem man sich selbst eigentlich sah. Natürlich per Du. Natürlich mit Schulterklopfen und Bussi, mit "Au Backe" und "alles Gute" und Gelächter wie auf einem Gymnasialausflug. Das Messer verdeckt unterm Gewand - P., der G. bewusst falsche Daten für seine Präsentation übermittelt, H., der J. die Leistungen "selbstverständlich" zusagt, die er kurz vor dem Meeting aus dem Anforderungskatalog gestrichen hat. K, die jedes Lob mit einer Füllung besonders vernichtender Insinuationen serviert. Jeder bemüht, ein kleines giftiges Etwas in der Tasche des Anderen zu platzieren, auf dass es dort rechtzeitig explodiere. Es würden wieder viele euphorische Konzepte geschrieben werden als Folge dieses Meetings, vollmundige Präsentationen gehalten und Roadmaps gezeichnet. Nicht zu vergessen: mit großer Geste delegiert. Parallel dazu würde ein Jeder wie immer seine eigene Agenda vorantreiben, bestrebt, sich alles vom Pelz zu halten, das ihn davon abhalten könnte, damit schneller als die anderen im Geheimen vollendete Tatsachen zu schaffen. Die dritte Garde hingegen schaute mal wieder den halben Tag YouTube-Filme, druckte Kochrezepte aus und sang im Büro, während die erste Garde auf einer teuren Veranstaltung eines rennomierten Magazins mit Christiansen diskutierte und Vorträge über Mission-Vision-Werte hielt.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (25.10.14)
Ich würde ja schreiben, dass das böse ist, wenn es nicht der Wahrheit so verdammt nahe kommen würde. Das kommt halt dabei heraus, wenn die Welt sich die Lebens- und Arbeitsweisheiten aus Talkshows zusammenklaubt.

 Ephemere meinte dazu am 12.11.14:
Es kommt der Wahrheit mehr als nur nahe, sondern ist direkt herausgegriffen. Aber ob das von den Talkshows stammt? Ich denke eher, der olle Marx war hier mit seiner entmenschlichten Arbeit gar nicht so sehr auf dem falschen Dampfer - insbesondere in größeren Institutionen, die per se Anonymität verbreiten und Menschen in Kategorien wie "Ressourcen", "Mittel", "Kapital" einordnen.
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