Französisch - Deutsch

Gedichtgedicht zum Thema Liebe & Schmerz

von  idioma

MARCELINE DESBORDES-VALMORE
1786 – 1859
In solch patriarchalischen Zeiten wurde ihr – wenn überhaupt – nur posthumer Ruhm zuteil.
Geboren ist sie in Douai (hier fehlt buchstäblich nur noch das  e  !) und blieb zeitlebens arm und als Dichterin unerkannt. Ihren Gedichten gebührt eigentlich ein Platz, den sie nach wie vor nicht haben.
Ihr Vater wurde durch die Revolution ruiniert, ihre Mutter wanderte daraufhin mit ihr nach Amerika aus, wo sie aber auch nur Unglück erwartete. Nach dem Tod der Mutter kehrte sie nach Frankreich zurück und führte ein Schattendasein als Theaterangestellte.
Durch eine große unglückliche Liebe entdeckte sie ihre dichterische Ader : “Die Musik drehte sich in meinem kranken Kopf und ein immerzu gleicher Rhythmus formulierte - ohne Wissen oder Nachdenken - meine Ideen. Wie in Fieberanfällen musste ich sie zu Papier bringen und nachher sagte man mir, dass das, was ich soeben geschrieben hatte, eine “Elegie“ sei ....“ Sie ignorierte alle poetischen Techniken, denn sie kannte nur die Liebe und die Musik.Verlaine bewunderte später Rhythmus und Klang ihrer Sprache und empfand eine Art geistige Verwandtschaft mit ihr.

Bevor ich eine Übertragung wage, werd ich zuerst mal dem Originaltext, der wirklich pure französische Sprachmusik ist, den wortwörtlichen Inhalt in purer grauenhaft wortwörtlicher Übersetzung gegenüberzustellen. Der Inhalt entpuppt sich dabei als wohlbekannt und dem Thema entsprechend subjektiv = Ein Heuhaufen oder gar Schrotthaufen von Gefühlen, aber einzigartig in Sprache umgesetzt !!!
Claude Monet malte viel später dann den gezielten Beweis : malte Heuhafen des Morgens des Mittags des Abends  = Feuerwerke der Malerei, deren Berühmtheit niemals dem Bildmotiv Heuhafen zu verdanken war, sondern einzig und allein seiner Malerei.

MA CHAMBRE                  = MEIN ZIMMER

Ma demeure est haute,    =  meine Bleibe ist hoch
Donnant sur les cieux ;    =  ausgerichtet auf die Himmel
La lune en est l´hôte        =  der Mond ist dessen Gastwirt/Vermieter
Pâle et sérieux                =  bleich und ernst
En bas que l´on sonne,    =  Wenn man unten läutet,
Qu´importe aujourd´hui ? = was kümmert´s mich heute
Ce n´est plus personne,    = Da ist gar niemand mehr,
Quand ce n´est pas lui !  = Denn es ist ja nicht ER !

Aux autres cachée,          = Versteckt vor den andern
Je brode mes fleurs ;        = sticke ich meine Blumen ;
Sans être fachée,              = ohne beleidigt zu sein
Mon âme est en pleurs ;  = ist meine Seele in Tränen ;
Le ciel bleu sans voiles,  = den blauen Himmel ohne Schleier
je le vois d´ici ;              = ich seh ihn von hier aus ;
Je vois les étoiles,          = ich sehe die Sterne,
Mais l´orage aussi !        = aber auch das Sturmgewitter !

Vis-à- vis la mienne      = Gegenüber dem Meinen
Une chaise attend :        = wartet ein Sessel :
Elle fut la sienne,          = Er war der Seine,
La nôtre un instant ;      = einen Augenblick lang der Unsre ;
D´un ruban signée,        = ausgezeichnet/signiert mit einem Ordensband
Cette chaise est là,        = ist da dieser Sessel
Toute résignée,              = ganz resigniert
Comme moi voilà.          = genauso wie ich.

Hier mein mühsamer Übertragungsversuch :

MEIN ZIMMER

Meine Bleibe ist hoch,
geöffnet zum Himmel,
mein Wirt ist der Mond,
so bleich wie ernst immer.
Wer unten auch läute
ist unwichtig heute,
wart ich auf niemanden mehr,
denn es ist nienimmer ER !

Vor andren verborgen
stick ich meine Rosen ;
in Kummer und Sorgen
mein Blick geht nach oben.
Die Seele in Tränen
den Himmel kann sehen :
sieht unverschleiertes Blau -
den wilden Sturm aber auch !

Gegenüber dem Meinen
ein Sessel ausharrt,
es war einst der Seine,
der Unsere kurz nur als Paar.
Ausgezeichnet mit Ehrenband,        ( signée )
wartet er dort vor der kahlen Wand,
schmerzgezeichnet - ach schau        ( résignée )
so wie ich selber auch.

idioma
5.8.2015

8.8.2015
Noch ein Gedicht von Marceline,
so exaltiert wie damaliges Theater,
so religiös wie schwer verdaulich,
trotzdem einen Übertragungsversuch wert :

LA COURONNE EFFEUILLÉE

J´irai, J´irai porter ma couronne effeuillée
Au jardin de mon Père où revit toute fleur ;
J´y répandrai longtemps mon âme agenouillée :
Mon Père a des secrets pour vaincre la douleur.

J´irai, j´irai lui dire, au moins avec mes larmes :
"Regardez, j´ai souffert..." Il me regardera,
Et sous mes jours changés, sous mes pâleurs sans charmes,
Parce qu´il est mon Père, il me reconnaîtra .

Il dira : " C´est donc vous, chère âme désolée ;
La terre manque-t-elle à vos pas égarés ?
Chère âme, je suis Dieu : ne soyez plus troublée ;
Voici votre maison, voici mon coeur, entrez !"

Ô clémence ! ô douceur ! ô saint refuge ! ô Père !
Votre enfant qui pleurait, vous l´avez entendu !
Je vous obtiens déjà puisque je vous espère
Et que vous possédez tout ce que j´ai perdu.

Vous ne rejetez pas la fleur qui n´est plus belle ;
Ce crime de la terre au ciel est pardonné !
Vous ne maudirez pas votre enfant infidèle,
Non d´avoir rien vendu, mais d´avoir tout donné.

DER ENTBLÄTTERTE KRANZ

Ich geh ja ich gehe mit meinem entblätterten Kranz
zum Garten des Vaters, der Blumen und Seelen gern heilt,
die matt und gar lang auf den Knien verweilt,
geheimnisvoll wandelt er Schmerzen in Glanz.

Ich gehe und werd unter Tränen bekennen :
" Sieh Vater, wie grausam ich Tag für Tag litt,
das Leben mir Jugend und Schönheit beschnitt -
doch Du wirst als Vater mich wiedererkennen."

Wirst sagen : " Du bist es ! Du arme verzweifelte Seele !
Entbehr´n deine irrenden Schritte das irdische Sein ?
Dein Gott bin ich, biete dir Wohnung und Liebe, tritt ein,
auf dass dich hier gar nichts gar nimmermehr quäle !"

Oh Milde ! oh Süße ! oh heilige Zuflucht !
Du Vater erhörest Dein weinendes Kind,
dem irdische Schätze verloren und gleichgültig sind,
das lang schon nach Rettung und Heilung umhersucht.

Du stößt die verwelkende Blume gewiss nicht zurück,
verurteilst mich nicht wegen Treulosigkeiten,
ich konnt nichts bewahren, musst alles vergeuden -
Allein dieser Vater vergilt so viel Sünde mit Glück.


idioma
8.8.2015

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Kommentare zu diesem Text

JamesBlond (63)
(08.08.15)
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 idioma meinte dazu am 09.08.15:
DANKE lieber JamesB für alles Lesen und sooooo großes ermutigendes Lob anstelle von Hinweisen auf die Problematik der differierenden Hebungsanzahlen und männl-weibl.
Versendungen....
Aufgefallen ist mir Marceline natürlich gerade durch das genial gereimte Kurzzeilengedicht und ich würd seine Übersetzung gerne dem Reime-Meister JB ans Herz legen ! würd 3 x 3 Herzen dafür geben !!! find aber kein einziges in meiner Tastatur eingebaut.... ? ?
herzlich grüßt idioma
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