Mein Widerspruch (Fr, 29.01.2023)

Essay zum Thema Allzu Menschliches

von  Hamlet

Ich liebe den Rausch und die Reinheit. Durch zu viel Rausch verliert sich die Reinheit. Wenn eine noch reine Person sich berauscht, ist sie oftmals noch attraktiver, insofern sie ihre Reinheit im Feuer versprüht, welche sie im kühlen, prosaischen Alltag reserviert hält. Freilich ist auch die Liebe ein solcher Rausch, von dem mancher Alkoholiker zu wenig gehabt hat, sodass er (um eine abgenutzte, aber passende Metapher zu gebrauchen) statt des Engels Feuer des Teufels Feuer mit hohen Zinsen aus der Spirituose sucht. Wer nun durch zu viel Rausch ausgebrannt seine Reinheit verloren hat, der erlebt im Feuer nichts Erhebendes mehr, da seine Flammen nichts Schönes – auch keine anderen Schätze – mehr lösen.

Wer dagegen seine Reinheit behüten will, indem er sich nicht berauscht wie ein Mönch und falls er zudem verkühlt und introvertiert ist, der wird vom höheren Leben auch nichts haben, insofern er seinen vielleicht guten Stoff niemals verbrennt, so wie zu Eis gefrorenes Wasser, das so glatt ist, dass um ihn herum alle ausrutschen. Nur die Flamme vermag ihn eben dazu zu bringen, seinen Stoff mit der Atmosphäre zu teilen – sich zu verbinden, also zu lieben.

Manche Reinheit wird nur schön im Rausch, wobei sie sich immer schneller verliert, bis sie zum Schluss ein abstoßendes Gesicht zeigt. Die Gesundheit ist der Stoff für den animalischen Rausch. Darüber hinaus ist die Reinheit der Stoff für den göttlichen Rausch. (Wir setzten, dass der Mensch ein Wesen zwischen Tier und Engel ist.)Um einen Ausspruch Schopenhauers zu wiederholen, ist die Gesundheit zwar nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts. Ich liebe den Rausch und die Reinheit, einen Widerspruch – eine seltene, fragile Kombination, die über die normale Gesundheit hinausgeht und Ausflüge in den Götterbereich gewährt, wenigstens in die hohe Dolce Vita, doch als Widerspruch kaum lange lebbar ist, da zu viel Rausch schon die basalste Grundlage der Reinheit zerstört, nämlich die Gesundheit, und rauschlose Reinheit i. d. R. langweilt und am Leben vorbeizieht – wenigstens solange man nicht liebt (Liebe ist wohl der göttlichste Rausch). Ich liebe den Rausch und die Reinheit.




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