herzseitig gelähmt

Sonett zum Thema Ehe

von  monalisa

verkümmert hängt sie ab seit jahren,
seitdem sie denkt, dass er sie nicht mehr liebt,
sich mit den krümeln still zufriedengibt,
die ihr von ihm geblieben waren.

in abenteuer stürzt er sich, gefahren,
um zu beweisen, dass er jede kriegt
und alles seinem ansturm unterliegt.
sein image stets nach außen hin zu wahren,

ist er bestrebt, daheim lässt er sich gehn,
läuft unrasiert in jogginghosen rum,
hat sie schon ewig nicht mehr angesehn.

sie nimmt es lustlos hin, erträgt es stumm,
lässt mürrisch ihre beste zeit verwehn.
so quält sie ihn, er sie und andersrum.

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Kommentare zu diesem Text


 niemand (04.04.18)
Eine Situation, welch sicher nicht selten zu finden ist.
Hier müssen die beiden wohl den Moment verpasst haben,
den Moment in welchem die gegenseitigen Traumbilder sich auflösen und der wirkliche Mensch zum Vorschein kommt.
Ab diesem Moment bestünde die Chance aufeinander ehrlich zuzugehen und eine neue Perspektive fürs Zusammenleben
schaffen. Leider versäumen das ganz besonders Menschen
die von Traumfrauen und Traummännern schwärmen.
Wie sagt man so schön? Je größer der Traum bei der Hochzeit war und je makelloser die Traumfrau/der Traummann erschien, desto schlechter die Ehe nach dem Austräumen und desto schneller die Scheidung. Aber damm bitte auch so pompös wie
die Trauung/die Hochzeit . Oder wenn keine Scheidung stattfindet, dann lässt jeder seinen quälenden Frust am anderen aus in aller Ewigkeit. Traurig aber nicht selten Realität.
Mit lieben Grüßen, Irene

 monalisa meinte dazu am 05.04.18:
Vielen Dank, liebe Irene, für deine ergänzenden Gedanken, da ist bestimmt viel Wahres dran. Traumfrauen und Traummänner haben eben nicht nur Schokoladenseiten, sondern auch Ecken und Kanten, das macht sie genau genommen ja auch einmalig und liebenswert, wenn man sich darauf einstellen kann und nicht an der Oberfläche hängen bleibt 😊.
Liebe Grüße
mona
Marjanna (68)
(04.04.18)
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 monalisa antwortete darauf am 05.04.18:
Ja, traurig ist sie und so oder so ähnlich wohl auch Realität, liebe Marjo. Natürlich gibt es viele Gründe, so eine Beziehung aufrecht zu erhalten, Bequemlichkeit etwa (nicht zu unterschätzen!), der soziale Status, finanzielle Absicherung …
Vielen Dank für deinen Beitrag 😊!

Liebe Grüße
mona
LottaManguetti (59)
(04.04.18)
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 monalisa schrieb daraufhin am 05.04.18:
Ich bin sehr froh, liebe Lotta,
dass du den Begriff Achtung hier einbringst. Ich denke auch, dass Achtung und gegenseitige Wertschätzung ein ganz wesentlicher Faktor in einer Beziehung sind. Sich diese Wertschätzung für den anderen und vom anderen zu bewahren haben die beiden wohl schon vor langer Zeit verabsäumt …
Vielen Dank für deinen Kommi,
liebe Grüße
mona

 Isaban (04.04.18)
Hallo Mona,

aus solchen Gründen passieren in Midsomer so viele Morde. Wie gut, dass immer wieder neue Leute zuziehen, sonst wäre der Landstrich gewiss schon ausgerottet und Inspector Barnaby hätte gar nicht mehr zu tun. ;)

Nein, im Ernst, jeder, der den Schritt aus einer solchen Beziehung geschafft hat, wird feststellen, dass es schön ist, wenn der Schmerz nachlässt, auch wenn man dafür vielleicht ein, zwei Prinzipien sausen lassen musste.

Und die, die es nicht schaffen, werden feststellen, dass sie nur verbittern und dass das Leben an ihnen vorbei zieht. Auch die "Eroberer" sind nur selten glücklich. Es ist verdammt anstrengend, immer auf der Pirsch zu sein, ununterbrochen den Bauch einzuziehen und allen Außenstehenden täglich sein Sonntagsgesicht zeigen zu müssen.

Eine Lähmung, ja. Aber vielleicht eher im Kopf als herzmäßig (was ja Herzstillstand und somit den Tod bedeuten würde), oder?

Hier wurde die konsequente Kleinschreibung angewendet, um zusätzlich zu bebildern, dass es im Leben dieser beiden keine Höhepunkte mehr gibt, dass alles gleichbleibend grau ist, dass immer alles nach dem gleichen Muster verläuft.

Der erste Vers irritiert mich, zeigt er doch eine Inversion, die sich mir nicht gleich erschließt. Da ich dich kenne und davon ausgehe, dass solche "Ungelenkigkeiten" Absicht sein müssen, sollte ich also hier noch einmal genauer hinschauen:

Der Satz wirkt, als wäre er aus Mangel an Alternativen in den Reim gezwungen und ich glaube, genau so soll er aussehen, er soll stilistisch unterstreichen, dass die Protagonistin so an der vorgegebenen Form hängt, dass sie sich bis zur Häßlichkeit verbiegt, um das Bild nach außen zu wahren.

In V3 gibt es gleich noch eine Inversion. Hier steht das "still"an falscher Stelle, dort gehört es nicht hin; die Protagonistin muckt nicht auf und das ist definitiv falsch, genau wie diese Satzverbiegung.

Auch das "gefahren" in S2, V1 zieht meinen Blick auf sich, wirkt seltsam und fehlplatziert, scheint auch hier um des Reimes Willen eingebaut worden zu sein und es ist schwer zu entscheiden, ob es sich hier um nachgestellte /hintenan gestellte/vernachlässigte Gefahren handelt oder ob etwas in den männlichen Protagonisten gefahren ist, ob er gefahren/fremdgelenkt wird, oder ob die Gefahren erst hinterher entstehen, wenn die eigentliche Tat, wenn die Fahr schon vorbei ist und es darum geht, sie zu vertuschen/den Schaden zu begrenzen.

All diese Reimzwänge sind ein interessantes, sehr spannendes und absolut gelungenes Stilmittel, wenn man um die Kunstfertigkeit der Autorin weiß, aber sie können schnell auch ein wenig dick aufgetragen wirken oder für Außenstehende eben so, als gäbe es da schlichtweg handwerkliche Mängel - ein schmaler Grat.

Die Conclusio gefällt mir sehr, insbesondere durch das "und andersrum", das die Situationskomik unterstreicht, welche die Betroffenen natürlich nicht mehr erkennen können außer vielleicht Jahre später, im Nachhinein, mit ausreichend Abstand vom Geschehen - was in diesem Falle auch "bis dass der Tod die Protagonisten scheidet" bedeuten könnte.

Liebe Grüße

Sabine
LottaManguetti (59) äußerte darauf am 04.04.18:
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 Isaban ergänzte dazu am 04.04.18:
Ich auch, aber das würde ich natürlich öffentlich nie zugeben. :D

 monalisa meinte dazu am 05.04.18:
Hallo Sabine,
Inspektor Barnaby wird noch lange genügend zu tun haben, denke ich 😉. Die oben beschriebene Situation ist natürlich sehr klischeehaft, aber doch mit leicht variierten Parametern überall gegenwärtig und endet leider auch in der Realität (da ist es wenig unterhaltsam) nicht sooo selten in Gewaltverbrechen.
Dass zu einer Beziehung immer zwei gehören, wird von den Protas oft geflissentlich übersehen, Schuld trägt natürlich immer nur der Partner/die Partnerin, und ändern kann man selbst natürlich gar nichts. Außerdem betrifft es ja sowieso immer nur die anderen und deren Ehen/Beziehungen …

Die herzseitige Lähmung denke ich mir so, dass die Herzseite (die Seite, die dem Herzen nahe ist) des Menschen oder auch der Beziehung gelähmt ist, man nur noch eingeschränkt agieren kann, das Gefühlsleben immer mehr verkümmert bis es stillgelegt wird.

Ich danke dir auch herzlich für deine Hinweise, die den Einsatz von Stilmitteln betreffen, da habe ich wohl ein wenig (zu?) dick aufgetragen, ein bisschen überbetont, wollte dem Ernst ein wenig Ironie zur Seite stellen, was ja auch im letzten Vers gipfelt. Freut mich übrigens sehr, dass du den magst 😊, wie mich dein so ausführlicher und fachkundiger Kommentar insgesamt hoch erfreut. Da hab ich wieder einmal großes Glück gehabt, Frau Spitzen-Kommentatorin. Dankeschön vielmals!

Liebe Grüße
mona

 EkkehartMittelberg (04.04.18)
Die Ursache für die herzseitige Lähmung (hervorragender Titel) war von Anfang an Lieblosigkeit, denn es ging ihm immer um sein Image, zu beweisen, dass er jede kriegt. Sobald er sich das bewiesen hat, ist sie uninteressant, was das erste Terzett eindrucksvoll schildert. Doch auch ihr fehlt die Energie, den lustlosen Zustand zu ändern, sodass beide, statt sich zu lieben, einander nur quälen (2. Terzett).
Ich vermute, dass das Sonett repräsentativ für die meisten Ehen steht, die mürrisch aufrechterhalten werden, statt sie konsequent zu beenden, wenn sie keine Basis haben.
Entsprechend dem alltäglichen Zustand dieser hingeschleppten Ehe wählt die Autorin Alltagssprache, zum Beispiel anhängen, sich mit Krümeln zufriedengeben, andersrum.
Mir gefällt es, Monalisa, dass du verschlüsselte Gedichte schreibst und solche im Klartext. Letztere haben seit einigen Jahren keine Konjunktur, aber das kann sich sehr schnell ändern, einfach dadurch, dass die eine oder dei andere Art zu schreiben, einem modischen Trend folgend, zu sehr pointiert wird. Die Gleichzeitigkeit beider Schreibweisen verweist auf den beiderseitigen Wert.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 05.04.18:
Lieber Ekki,
vielleicht sind ja beide nur auf der Suche nach Anerkennung und Zuwendung, haben diese bisher zu wenig oder gar nicht erfahren und können sie auch nicht anhaltend geben …?
Du bist ein sehr feiner Beobachter, ja, ich habe hier, aus dem von dir genannten Grund, Alltagssprache gewählt, die sich auch in den verkürzten Reimsilben 'gehn', 'sehn' und 'wehn' zeigt.

Vielen Dank für deinen kundigen Kommi 😊!
Liebe Grüße
mona

 Owald (04.04.18)
"unrasiert in jogginghosen" - ich bin nicht sicher, ob das Bild, das sich mir vor meinem inneren Auge darbot, von der Autorin einkalkuliert war.
- Wenn doch: Gelungen; paßt ja tatsächlich irgendwie. Hinterläßt den Leser (mich zumindest) mehr peinlich berührt als angeekelt.

 monalisa meinte dazu am 05.04.18:
Hallo Owald,
ich hab ein bisschen gebraucht, aber jetzt ist der Groschen gefallen 😉.
Die ‚peinliche Berührung‘ war in der Tat nicht beabsichtigt, auch nicht in Kauf genommen. Da hab ich ja noch einmal Glück gehabt, dass du dich nicht angeekelt abgewandt hast. Danke für deine Rückmeldung 😊

Liebe Grüße
mona
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