Das Lunare III: Die Erotik

Epos zum Thema Verlangen

von  Terminator

Die Erotik ist alles, was mit geschlechtlicher Liebe und Begierde zu tun hat; wohlgemerkt: mit der geschlechtlichen, nicht der zwischengeschlechtlichen. Erotik ist immer auch Homoerotik, weil der eigene Körper ein Lustobjekt ist. Der Mythos von zwei getrennten Teilen eines überseienden Ganzen, die ihre bessere Hälfte suchen, um sich wieder aus dem Sein zu transzendieren, bezieht sich nicht explizit auf Mann und Frau, aber auf die männlichen und weiblichen Potenzen.


Zeus zeugte Artemis, Apollo und Athene als Kopfgeburten, um nicht von der nächsten Göttergeneration gestürzt zu werden. Die Prophezeiung erfüllte sich jedoch, indem Ares, Hermes und Dionysos ihn stürzten: die dionysischen Religionen, an ihrer Spitze das Christentum, beerbten die antike Götterwelt, zu der die Menschen keinen lebensweltlichen Bezug mehr hatten. Das Wort und das Schwert standen dem Dionysos Jesus bei der Eroberung bei.


Hera zeugte aus Rache durch Parthenogenese Hephaistos. Anders als die solaren geistigen Kinder des Jupiter war dies ein hässliches chthonisch-titanisches Männchen, dem die Götter dann zum Trost die ultimative Dirne schlechthin, die Göttin der erotischen Liebe, zur Frau gaben. Doch Aphrodite betrog ihn mit dem Kriegsgott Ares. Hephaistos baute den Betrügern eine Falle, die sie im Bett durch unsichtbare Netze festhielt. Dann rief er die Götter. Homerisches Gelächter. Lachten die Götter über die Liebenden oder über den Gehörnten? Die Moral der Geschichte ist ja, dass man Liebe nicht erzwingen kann.


Aphrodite wird oft den Kindern des Zeus zugeordnet, stammt aber vom durch Kronos entmannten Uranos ab, und zwar nach dessen Entmannung: seine ins Meer geworfenen Geschlechtsteile befruchteten dieses, und auf die Insel Kythera kam kein Säugling, sondern eine voll entwickelte junge Frau aus dem Meer. Die erotische Liebe hat mit Mutterschaft und Brutpflege nichts zu tun, und so ist die Frau erotisch am Begehrenswertesten, die denkbar weit von diesen beiden Potenzen des Weiblichen entfernt ist.


Die Erotik ist nicht mit der Sexualität gleichzusetzen: die tellurische, naturgebundene Geschlechtlichkeit regiert im Reich der Notwendigkeit, die Erotik ist dagegen luxuriös. Die erotische Liebe ist magisch, übernatürlich. Die erotische Begierde ist gefährliche Magie, die zum Sturz ins Chthonische führen kann wenn die Liebe zur Form zur Lust nach Materie degeneriert.


Die durch Monogamie gebändigte erotische Liebe bildet den Übergang vom Lunaren zum Tellurischen; die ins Geistige übersteigerte romantische Liebe erhöht sich vom Lunaren zum Solaren. Rein lunar ist das willkürliche verspielte Walten des Eros.


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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(14.08.22, 05:33)
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 Terminator meinte dazu am 14.08.22 um 06:53:
Meine Interpretation ist: Die Götter lachten über sich selbst, als Hephaistos sie zu den Gefangenen in seinem Bett führte. Und zwar lachten sie darüber, die Liebe der Göttin der Liebe zu einem Krüppel befohlen zu haben, was aber unmöglich ist. Natürlich bevorzugte sie den attraktiven Ares ihrem Ehemann.
Taina (39) antwortete darauf am 14.08.22 um 07:06:
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 Terminator schrieb daraufhin am 14.08.22 um 07:11:
Ich denke, die Sozialkritik des betreffenden Verses von Homer liegt darin, dass manche Ehen so arrangiert werden, dass es lächerlich ist, vom erotisch benachteiligten Partner Treue zu erwarten. Die Ehe von Hephaistos und Aphrodite ist eine Zwangsehe, nicht vergessen!

Ansonsten stimmt, was du über das Fremdgehen sagst. Vorausgesetzt, es handelt sich um eine beiderseits freiwillig geschlossene Liebesehe. Dann ist das der grausamste Betrug, den es gibt.
Taina (39) äußerte darauf am 14.08.22 um 08:13:
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 Graeculus ergänzte dazu am 14.08.22 um 12:48:
Ein Wesen, das sie nicht liebt, darf sie nicht heiraten [...]

Wir reden hier über ein Sujet aus der Antike. Daß Ehen aus Liebe geschlossen werden (sollten), ist keine antike Vorstellung, sondern eine, die sich m.W. erst seit der Romantik ausgebreitet hat.
Das nun der Antike als Norm überzustülpen, ist anachronistisch.

Was zu den wichtigsten Normen der Antike gehörte (wie auch fast aller anderen Kulturen, soweit ich weiß), ist die Treue der Frau, das Tabu des Ehebruchs durch die Frau. Dies hängt freilich nicht mit Liebe und Vertrauensbruch zusammen (das wäre wiederum neuzeitlich), sondern mit der Sicherstellung der Vaterschaft, also damit das Familienerbe nicht an einen Bastard geht.
Insofern brachte Aphrodite Schande über ihren Hephaistos. Seine Reaktion soll seine Ehre wiederherstellen.

Die Treue des Ehemannes gehörte nicht zu den Normen.

 Graeculus meinte dazu am 14.08.22 um 12:51:
Ergänzung: Selbstverständlich kannten die Menschen der Antike die Liebe (Eros); das war aber entkoppelt von der ehelichen Beziehung. Daß daraus Konflikte mit der Verpflichtung der Ehefrau zur Treue entstanden, machte dann den Stoff für viel Literarisches aus.
Taina (39) meinte dazu am 14.08.22 um 14:42:
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 Terminator meinte dazu am 14.08.22 um 21:30:
Ich halte die erwähnte Norm der Antike für "geschenkt und vorausgesetzt", wie mein Professor in Hannover vor 15 Jahren zu sagen pflegte. Und ich denke eben, dass das Homerische Gelächter der Götter diese Norm transzendiert, weil in der Spontaneität des Lachens deutlich wird, wie sinnlos Zwang in der Liebe bzw. im Eros ist.

 Graeculus meinte dazu am 14.08.22 um 22:10:
Kleine Ergänzung: ... wie sinnlos der Zwang in der Ehe ist, wenn die Liebe hineinfunkt.

Da hätten wir ja auch noch Menelaos - Helena - Paris.

 Terminator meinte dazu am 14.08.22 um 22:19:
Die Ehe ist aber der Ort für die erotische Liebe. Und dass der Eros unbezwingbar ist, ist der Grund, aus dem die Venunftehe (bzw. Zwangsehe) scheitert.

Wenn es nur die künstliche Befruchtung gäbe, und kein Mensch einen Sexualtrieb hätte bzw. würde diesen nicht in der erotischen Liebe ausleben wollen: dann könnten arrangierte Ehen durchaus funktionieren.
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