o.t. die Fortsetzung

Text

von  Epiklord

 

In der Parkanlage hinter

dem alten Herrenhaus,

an einem verwitterten Holzkreuz,

hatte Miriam von Wetzlow

ihre bösen Gedichte angeschlagen.

Sie war damals Zwölf, ich Vierzehn.

 

Sie hatte ihrem Teddy eine

Schlinge um den Hals gelegt,

ihm mein Namensschild angeklebt,

und ihn an ihr Kreuz gehängt.

 

Ich hielt Miriam in einer abgründigen

Ecke meines Seelenkellers gefangen.

 

In Wirklichkeit lebt Miriam

mit ihren Eltern in den USA.

seit zwanzig Jahren.

 

Als ich neulich in unseren Park ging,

stand sie plötzlich wieder da,

wo das Kreuz gestanden hatte.

 

Es war Spätsommer, lau und

bereits dämmerig, als die

Leuchtkäfer ihr Schauspiel

aufzogen, und mitten drin

Miriam von Wetzlow mit

immernoch blonden Haaren,

und einem weißen Folklorekleid.

 

Und ich traute meinen Augen kaum.

  

Ich erinnerte mich an

die Worte meiner Mutter.

Miriams Eltern hatten in

einer Gewitternacht den Namen

Maria für sie beschlossen;

die Mutter war im neunten

Monat schwanger, als das

Kind ihr heftig stieß und

aus dem Bauch heraus

hörte die Mutter eine

kindliche Stimme:

Wenn ihr den Namen

wählt, bringe ich euch um.

 

Da der Vater nichts

vernommen hatte, einigte

man sich darauf, dass die

Mutter unter einer

Schwangerschaftspsychose

gelitten habe. Das Kind

nannte man aber Miriam.

 

Als Miriam im Alter von Fünf

einem Nachbarshuhn den

Kopf bei lebendigem Leib

abgerissen hatte, dachten

die Eltern wieder zurück an

jene mysteriöse Gewitternacht

der Namenswahl, und

nun befürchteten sie, ihre

Tochter sei von

einem Dämon besessen,

oder selbst ein böser Geist.

 

Ich glaubte nicht an sowas,

ging schnurstracks auf die

Tänzerin im weißen Gewand zu;

stupste sie aber an um sicher

zu gehen: man weiß ja nie.

 

Sie schaute mich glutvoll an,

ich konnte mich nicht entziehen,

wie damals, als ich sie in

meinen Seelenkeller verbannte.

Sie flüsterte mit Engelszunge:

Ich bin gekommen, mein

Mysteriöses, das man mir andichtete,

zu zerschlagen, denn nicht sie,

sondern der Gärtnerssohn habe

dem Huhn den Kopf abgerissen.

Er habe gedroht, wenn sie es meldet,

würde er unser Doktorspiel verraten,

das er heimlich beobachtet hatte.

So habe sie geschwiegen.

 

Heute, einen Monat nach Miriams

Rückkehr, haben wir uns erstmals

gegenseitig unsere Liebe gestanden.

Und eine Stunde danach am Abend
hatte man ein Huhn mit abgerissenem
Kopf gefunden, wo einst Miriams Kreuz
gestanden hatte

.

Der Gärtnerssohn war in derselben Nacht
aus unerklärlicher Ursache

gestorben




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