„Sie müssten sehen, wie er Sie anstarrt, wenn Sie im Garten arbeiten!“
Das war ja interessant. Meine Nachbarin von schräg gegenüber beobachtete den Nachbarn, wie er mich beobachtete. Ich bekam das nie mit, da ich ihm sofort den Rücken zukehrte, wenn ich ihn sah. Wir waren seit Jahren miteinander verfeindet, was dazu führte, dass er seine berufliche Tätigkeit mehr als einmal ins Private ausdehnte: Er notierte sich Autokennzeichen meiner männlichen Besucher, spionierte die Vergangenheit meines Exmannes aus, forderte mich per Einschreiben auf, das angebliche ständige Bellen meiner Hunde zu unterbinden und andere Nettigkeiten. Ich beschloss, einen höheren Zaun zwischen den Grundstücken setzen zu lassen und ließ das im Frühjahr durchführen. Zwei Meter hoch, das müsste hoffentlich genügen, um mir seinen Anblick zu ersparen und ihm die Spannerei zu verwehren.
Mein Untermieter starrte in den Garten und meinte:
„Schade, dass der Garten nicht zum Anbau genutzt wird!“
„Nicht genutzt? Da wachsen Bäume, Sträucher, Blumen.“ Ich runzelte die Stirn.
„Naja, jetzt, wo das Grundstück vor den Blicken des Nachbarn geschützt ist, könnte man andere Pflanzen dort hinsetzen!“
Er sah mich nicht an und starrte stattdessen auf einen imaginären Punkt im Garten.
Ich sah ihn umso strenger an, denn ich kannte ihn und seine Passion.
„Du meinst…?“
„Ja, warum nicht! Das Zeug ist verdammt teuer, du könntest auch mal probieren.“
„Du spinnst!“ warf ich ihm an den Kopf. „Denkst du, ich riskiere eine Anzeige, nur um eine bescheuerte Tüte rauchen zu können?“
Er sah mich mit seinen Hundeaugen lieb an:
„Wenn jemand dahinter käme, würdest du natürlich von nichts wissen.“
Ich musste plötzlich grinsen. Die Vorstellung, dass mein Nachbar, der Bulle, unmittelbar neben einer Miniplantage im Liegestuhl lag und sein Pils soff, hatte was. Sie war verlockend.
Und ein grünes Händchen hatte ich. In diesem Frühjahr zog ich also neben Tomaten, Geranien und Petunien auch Marihuanapflanzen heran.
Und tatsächlich, Mitte Mai hatte ich etwa ein halbes Dutzend kleine, kompakte Sträucher, die schnellsten von den Fensterbänken verschwinden mussten.
Ich setzte sie zwischen Lupinen, Stockrosen und andere unschuldige Pflanzen, wo sie sich rasend schnell breit machten. Ende Juli, Anfang August wucherten in meinem Garten mannshohe Pflanzen, die einen Geruch verströmten, der jedem Kiffer den Atem verschlagen musste.
Der liebe Nachbar goss in einem Abstand, der weniger als einen Meter betrug, seine kärglichen Tomaten, deren Konturen ich durch den Bambuszaun im Sonnenschein sehen konnte. Ich konnte seinen Zigarettenqualm riechen, während wir die mittlerweile zwei Meter hohen Pflanzen herunter banden, damit er die Spitzen, die fröhlich im Wind wippten, nicht entdeckte.
Meine achtzigjährige Tante kam zu Besuch und ließ sich einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster in meinen Garten nicht nehmen.
„Meine Güte, diese Farne sind ja riesig!“
Mein Untermieter brachte Ende des Sommers seine Ernte nach und nach ein und hatte Mühe, geeignete Plätze zum Trocknen zu finden. Im Jahr darauf zog er aus und ich vergaß die Geschichte.
Erinnert wurde ich wieder im Folgejahr, als mir hinter dem Schuppen meines Nachbarn eine Pflanze auffiel, die ihre schmalen Blätter verzweifelt in die Sonne reckte.
Die Frage, wie er als Polizist dazu kommt, eine Marihuanapflanze auf seinem Grund und Boden zu beherbergen, verkniff ich mir.