MÄRCHEN in reimen (6)
Sonett zum Thema Märchen
von harzgebirgler
rapunzel hatte irre lange haare
und schnitt die sich auch ewig lange nicht
doch immerhin war dran das wunderbare:
sie hingen ihr kaum jemals ins gesicht
denn sorgfältig zu einem zopf geflochten
der ihr weit übern hübschen hintern ging
den viele kerle gerne sehen mochten
war das zum glück ein ziemlich selten ding
noch wunderbarer kam der zopf zum zuge
wollt' mal zu ihr im turm wer hoch empor
wie'n kletterseil ließ runter ihn das kluge
rapunzelchen, tür gab's ja nicht und tor -
so stieg einst auf ein sehnsuchtsvoller junker
zum liebesglück und das ist kein geflunker...
rapunzel stand im turm und ließ die haare
herunterhängen bis an seinen fuß
so lange haare sind schon mangelware
die keine frau auch wirklich haben muß
doch immerhin wußt’ sie ein prinz zu nutzen
der kletterte an ihnen hoch zu ihr
um dann rapunzels riechkolben zu putzen
wohl kaum nein sprach „ich sehne mich nach dir
so sehr seit ich dich sah vor ein’gen wochen
vom wald aus wo ich jagte und zum glück
hab’ ich den braten auch sofort gerochen -
ein ende haben soll dein mißgeschick!“
rapunzel sprach „oh du mein prinz ich weine
vor seligkeit und bin fortan die deine!“...
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spinnen
gesponnen wird seit je sehr viel
ist doch auch echt ein kinderspiel
nur wird daraus ja selten gold
egal wie doll der spinner schmollt -
ein rumpelstilz ist kaum in sicht
und faktisch gibt’s den sicher nicht
nein lediglich im märchenreich
und macht dort müllerstöchter reich...
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frau holle hat im märchen große zähne
zumindest aus gebrüder grimmscher sicht
es hing ihnen wohl die gelehrtenmähne
voll in die optik was so schlimm ja nicht
denn schließlich wissen wir es längst schon besser:
die zähne von frau holle sind echt schön
da könnt’ ein böser wolf und menschenfresser
nun in der tat nur neiderfüllt drauf seh’n
herr winter täte sie zudem nicht leiden
mit grossen zähnen wie ein krokodil
doch kennen sich seit jahren die zwei beiden
und halten voneinander irre viel -
es sei ihm also letztlich wie ihm wolle
herr winter fühlt sich wohl bei der frau holle...
*
einst hatte jene hexe schlechte karten
die gretel in der'n eig'nen ofen schob
je wieder zur walpurgisnacht zu starten
weil sie ja voll perdu dann war gottlob
ihr dreimal schwarzer kater blieb alleine
zurück zwar in dem hexenknusperhaus
doch hatte damit groß probleme keine
denn fand zum fangen immer wo 'ne maus
beim nächsten hexensabbath auf dem brocken
gedachte man der toten hexe kaum
nein alle war'n wie immer am frohlocken
und hielten sich beim schweinkram nicht im zaum
worüber sich der teufel tierisch freute
schon damals und mit sicherheit noch heute...
*
pferd hat 'schwein'
sein "litauer" sank einst im hochmoor ein
münchhausen behielt aber kühlen kopf
und zog sich samt dem pferd - das hatte 'schwein' -
glatt raus am schön bezopften eig'nen schopf!
ja der baron war ein filou
der hatte es voll drauf
ihm sah’n gar mal die türken zu
nicht beim silvesterlauf
nein beim kanonenkugelritt
über ihr großes heer
wobei er schiffbruch fast erlitt
doch das ist lange her...
*
türeinfall
es fiel einst eine tür ins schloss
was dessen herrn zutiefst verdross:
der stand auf solchen einfall nicht
verzog auch ziemlich sein gesicht
laut schimpfend „das verbitt' ich mir!“
und setzt' die tür prompt vor die tür
vom schloss das zwar sehr klein
doch ganz und gar voll sein...
*
es war einmal ein kater
der gerne stiefel trug
doch hielt das schon sein vater
für nicht besonders klug
denn katzen müssen schleichen
mit samtpfötigem tritt
das ist schwer zu erreichen
gestiefelt - forget it!...
*
als aladdin sich einst beim flug
mit seinem teppich überschlug
hielt der ihn reaktionsschnell fest
drum fiel er nichts ins storchennest
von kalif storch zu seinem glück
aufgrund des teppichs fluggeschick
das dem seit der knüpfung eigen
und sonst welche kaum je zeigen...
...ein teppich der echt fliegen kann ist selten
weil teppiche doch mehr als läufer gelten
sprich bodenhaftung* haben seit jeher
insofern bleibt ein teppichflug ne mär
was aladdin natürlich ignorierte
weil er ja selbst im märchen reüssierte...
*von wandteppichen einmal abgesehen
die ebenfalls kaum in die lüfte gehen.
*
rot-weiss-essen
schneeweißchen sprach zu rosenrot
einst, rumkauend auf vollkornbrot:
”ich steh' voll auf rot-weiss-essen
war auf schnee noch nie versessen
auch rosen sind mir piepegal
doch auf ein leck'res mittagsmahl
mit mayonnaise und ketchup
auf fritten fahr' ich immer ab!”...
*
Des kleinen Häwelmanns nächtlicher Ausflug zu den Sternen
Es staunt der kleine Häwelmann
die funkelnden Gestirne an:
Ihr Licht fällt in das Schlafgemach
vom kreglen Knirps und hält ihn wach -
der Lüttje hat die halbe Nacht
noch nicht ein Auge zugemacht.
Putzmunter ist er gar am Quengeln -
man hat sein Tun mit solchen Bengeln
die statt den Wunsch nach Schlaf zu hegen
voll Inbrunst an den Nerven sägen.
Die Mutter schläft schon tief und fest
nur Häwelmann bockt rum im Nest,
in seinem Bettchen mit den Rollen,
die auch mal Ruhe haben wollen
und gibt partout kein bißchen Ruh
nein! rollen will er immerzu
hat selbst und das ist nicht gelogen
sein Hemdchen trickreich ausgezogen
spannt's zwischen Händchen auf und Zehen
macht Pustebacken und wir sehen
wie Häwelmann durchs Zimmer rollt
und dabei jauchzt und nicht mehr schmollt.
Der Mann im Mond schaut in die Kammer
und denkt bei sich: ’Das ist der Hammer,
der Steppke kutscht da durch den Raum
um Mitternacht ich glaub es kaum!’
Doch Häwelmann will aus dem Haus
und ruft zum Mond: "Hilf mir hier raus!
Die Stadt soll sehen wie ich fahr'
und auch im Wald der Tiere Schar"
Der Mond strahlt wie er strahlen kann
und auf den Strahl'n rollt Häwelmann
durch's Fenster raus rein in die Stadt
wo's keine Menschenseele hat
weil alles schläft und bloß ne Katz
sieht Rollbettfahr'n den frechen Fratz!
Der bläst ins Hemd mit paus'gen Backen
rollt waldwärts über Bergeszacken
bis ganz hinauf zum Sternenzelt
was dem Dreikäsehoch gefällt
und ohne einmal zu verschnaufen
fährt Mond und Stern er übern Haufen
die sich vor Schreck und Zorn verdunkeln
statt schön zu leuchten und zu funkeln.
Er bläst und rollt im Finstern weiter -
der alte Mond hört: "Licht an!" schreit er -
zur Erde runter wo die Sonne
grad aufgeht mit gedämpfter Wonne.
Klein-Häwelmann erkennt sie nicht
und fordert: "Lieber Mond mehr Licht
damit ich seh wohin ich fahr!"
Die Sonne denkt: ’Das ist nicht wahr!’
und lenkt den kleinen Häwelmann
zurück ins Haus und blafft ihn an:
"Du solltest längst am Schlafen sein -
verdammt noch mal schlaf endlich ein!"...
Auch als Beitrag erschienen in der Anthologie „Märchen im Reim“, net-Verlag 2021
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