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Erzählung

von  minze

 

Achtundvierzig Jahre, fast fünfzig Jahre. Ich frage was macht es aus, dass es so lange hält? Das Geheimnis eurer Ehe. Ich frag ihn spontan, weil wir über seine Ehe nicht sprechen eigentlich in den sechzehn Jahren, die wir uns kennen. Es entsteht eine neue Regung in seinem Gesicht, auch zwischen uns. Es könnte sein, dass er verblüfft und erleichtert über meine Frage ist. Sie ist ungewohnt, aber willkommen. So ungewohnt ist es auch, dazu zu sprechen. Er will's aber, ich glaube, weil er stolz auf die achtundvierzig Jahre ist. Sie sind erst einmal stabil und geschafft, auch wenn da manche Täler waren. Yann hat mit ihm vor zwei Jahren ein Gespräch über die Beziehung seiner Eltern geführt. Es hat ihn bewegt, erst meinte ich, er wäre bestürzt. Weil die Wortwiedergaben das hergaben, aber Yann fand auch da vor allem die Tatsache besonders, dass er mit ihm überhaupt darüber redet. Die Rente war vor zwei Jahren ganz neu, dass dieser Übergang schwierig ist, wussten alle. Da hat sein Vater es nicht ausgehalten, wie es ist, den ganzen Tag zusammen.


Zwischen zwei Kartenpartien sagt er nach etwas Überlegung sich streiten und jeder macht sein Gechäft. Wir lachen, Yann und ich können streiten, ich lache noch weiter und verstehe, was ihm gefällt, seine Sachen machen können, eine eigene Aktivität haben. Es geht um die Unabhängigkeit trotz vieler Jahre, das Eigene in der Abhängigkeit. Es ist ein spontaner Witz, also auch schnell gesagt: und was verbindendes? Eigentlich kann das separierende auch die Verbindung sein. Wenn die Auseinandersetzung nicht ist, fehlt Reibung. Ich denke natürlich über die Worte nach, wie ich sie für mich setzen lass, dabei werden wir wohl nicht viel weiter gehen. Trotzdem ist spannend, was er spontan sagt, was er mir spontan zeigt. Und auch auf mein weiteres Nachhaken gibt; das habe ich vielleicht gar nicht so verdient - eigentlich ist jedes Zugehen ein besonderer Bonus. Ein Vorschuss für eine Beziehung, eine Vertrautheit, die weder wir haben noch er glaube ich sonst hat, mit sich, mit anderen. Womöglich ist es so, denn ich finde ihn überrascht über alles, was er äußert.


Natürlich die Liebe. Er fragt Angélique: wer hat das noch einmal gesagt, die Nachbarin, deine Mutter? - die Liebe, die geht nicht weg. Seine Frau ist erst stumm, gluckst, ja vielleicht Mutter. Er denkt, glaube ich, dass er es noch ausführen oder ergänzen muss. Yann mischt die Karten wieder, das könnte auch die Rettung zum Ende unseres Gespräches hin sein, von dieser kleinen Offenbarung. Angéle gefällt es, sie freut sich. Sie kann sich über den Mut und die Offenheit ihres Mannes freuen. Sie kann dankbar sein, dass ich diese Fragen stelle. Natürlich sprechen manche auch von Sexualität, auch, dass es nicht mehr geht oder vorbei ist irgendwann. Aber ein Streicheln, eine Umarmung, das gibt es immer noch.


Es ist schön, von ihm das zu hören. Manchmal ist er ungelenk mit seiner Wortwahl um Sex, ich nehme es ihnen allen nicht übel, wenn es vulgär wird, das kann ich in der Familienrunde auch eingrenzen. Entweder klug oder rüde, so, wie Yanns Brüder und Vater das verdient haben. Immer finde ich es auch interessant, weil sie erst unbeholfen sind und dann sofort das Einsehen haben. Will ich dann anders weiter sprechen, geht es kaum, dann nehmen die Frauen das Gespräch auf.

Hier aber lässt er es zu, als Mann zu sein. Wie er die Umarmung da hinein nimmt, spür ich Zärtlichkeit.



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