Sie machen aber auch Sachen!

Parabel

von  Quoth

Der Bus der Linie 600, den ich unbedingt kriegen musste, um meinen Zug zu erreichen, wurde nicht auf dem Betriebshof abgestellt, sondern parkte unmittelbar vor dem Haus. Deshalb war es ein guter Tipp, einen Teil meines umfangreichen Gepäcks schon am Abend darin abzulegen, umso schneller konnte ich am Morgen dann einsteigen. Aber es kam, wie es kommen musste: Als ich mit dem restlichen Gepäck auf die Straße trat, war der Bus bereits weg – und mit ihm mein Gepäck, darunter auch das Tablet mit der Rede, die ich halten sollte. Warum war ich nur nicht in der Lage, wenigstens einmal in meinem Leben pünktlich zu sein? Ich wollte ihm nachrufen, doch die Stimme erstarb mir in der Kehle; zu bewusst war mir, wie sinnlos mein Rufen gewesen wäre. Nun blieb mir nur der Weg zur Markthalle, wo die Taxis standen. Ich entschied mich für ein sehr niedriges im Glauben, es könne mich auf seinem Dach befördern und sei deshalb billiger. Aber die Fahrerin, die einer Fernsehmoderatorin zum Verwechseln ähnlich sah, lachte mich aus: Der Fahrtwind würde mich vom Dach pusten, das solle ich mir aus dem Kopf schlagen. Sie war freundlich und behandelte mich, wie eine junge Frau eben einen wie mich behandelt: mit nachsichtig lächelndem Spott. Ich zwängte mich also mit dem immer noch umfangreichen Gepäck in das überaus flache Fahrzeug. Und sofort wurde mir klar: Den Zug zum Treffen in München erreichte ich wohl noch gut – aber würde der Bus mit meinem Gepäck auf mich warten? Der Fahrer wusste ja gar nicht, dass ich es in aller Stille hineinpraktiziert hatte! Also würde er es ahnungslos mitnehmen auf seine Rücktour! Ich teilte der Fahrerin meine Sorge mit. Sie lachte und sagte: „Sie machen aber auch Sachen! Erst verstecken sie Ihr Gepäck in einem Bus, dann wollen Sie bei mir auf dem Dach befördert werden! Wir fahren dem Bus einfach nach!“ So geschah es, wir verfolgen den sehr schnellen Bus jetzt seit Stunden, das Münchener Treffen kann ich in den Wind schreiben und die Zahlen auf dem Taxameter steigen in für mich unbezahlbare Höhen …




Anmerkung von Quoth:

Lluviagata gewidmet

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (05.05.24, 11:17)
Ist Llu denn Taxifahrerin? *staun)

 Lluviagata meinte dazu am 05.05.24 um 17:12:
Jaaa, ich bin eine nimmermüde Rentnerin

 Lluviagata (05.05.24, 17:20)
Lieber Quoth,

ich bekam bislang weder einen prosaischen noch einen lyrischen Erlebnisbericht zustande, schön, dass Du ihn schon mal für mich geträumt hast! *kichert*

Natürlich - das Taxameter ist eine wichtige Sache - für Cheffes Kasse und natürlich auch für mein Ego. Gut, dass es hier schnurren darf! 

Ich könnte Dinger erzählen, die ich bereits erleben durfte in meiner erst 5-monatigen Chauffeurszeit, da würden sich sicher viele Leser freuen, aber - kommt Zeit, kommt Rat.

Liebe Sonntagsgrüße
Llu ♥ 

 Graeculus antwortete darauf am 05.05.24 um 17:35:
Das erzähle mal. Aber ich hoffe, Du kannst einen Bus, der doch an jeder Haltestelle Zeit verliert, einholen!
Taxifahrer müssen voller Geschichten sein.

 EkkehartMittelberg (05.05.24, 17:30)
Hallo Quoth,

wenn Alpträume wie Parabeln wirken, hinterlassen sie nicht nur Schrecken.

LG
Ekki
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