Diebische Elster

Tagebuch

von  lugarex

Dort, wo ich immer trainiere, wohnen etwa 20 storchen Familien. Dank dem warmen Frühling warten sie jetzt auf die ersten Flugversuche der Jugend, die sie bis heute sorgfältig genährt haben. Ich bin zwar kein Ornithologe, aber täglich mache ich meine Runden und kontrolliere das Geschehen in den Nestern.


Am Tag des Tagebuches beobachtete ich ein seltsames Theater. Ein Storch verliess nach sorgfältigem Überlegen sein Nest und stahl sich davon, was die Störche eher selten machen, wenn ein Junge im Korb sitzt. Er schlich zum Nachbars Nest. Das schien verlassen zu sein. Da ist er stehen geblieben und lugte um sich herum. Dann gab er sich einen Stich und holte fachmännisch einen Klump aus verwelktem Gras vom Netz und plötzlich flog er damit die etwa zwanzig Meter zurück ins eigene Nest. Er schüttelte seine Beute ins Nest und das ganze Prozedere wiederholte sich etwa vier Mal. Immer langsam, vorsichtig hin und mit mächtigen Flügelschlägen zurück. Als ob er schlechtes Gewissen hätte. Erst beim letzten Mal bemerkte ich den Abnehmer. Ein kuscheliges Etwas mit noch kleinem Schnabel. 


Handelte es sich um strategisch-taktische Erziehung? Bevor ich dies in das Tagebuch schreiben konnte, war ein Tag vergangen und in dem scheinbar verlassenen Nest wohnten wieder wie immer zwei Störche und ihr diebischer Nachbar hielt mit ihnen seinen Smalltalk wie gewohnt…


 




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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (17.06.24, 19:55)
Man weiß natürlich nie,
welchem pädagogischen Konzept lugareske Störche gerade folgen ...
Hier geht es vielleicht um antiautoritäre Erziehung.
Kardamom (40)
(17.06.24, 20:05)
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 harzgebirgler (26.06.24, 08:12)
"la gazza ladra" ist was mir da sofort einfällt -
rossinis ouvertüre kennt auch wohl alle welt. :D
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