Kriegstüchtig

Glosse

von  hehnerdreck

Dieser Text gehört zum Projekt    Politische und Haltungstexte

Es geht wieder darum, für die gute Sache zu kämpfen und getötet zu werden. Viele Politiker, die sich rühmen, den Wehrdienst verweigert zu haben, reden heute gerne viel vom Krieg, als ob sie an einer neuen Mode teilnähmen, die unsere Gesellschaft erfasst hat. Ach, was waren das für heroische Zeiten, als die Soldaten in Vietnam aus dem Dschungel geholt wurden. Nebeneinander saßen sie wie Helden mit ihren abgetrennten Körperteilen im Hubschrauber. Das Blut, das an die Decke spritzte, zeugte von ihrer Treue zum Vaterland. Die Rufe nach der Mutter waren zwar für einen kurzen Moment ein Zeichen von Schwäche, die aber schnell wieder in Bedeutungslosigkeit verschwand, sobald der Heldenorden wie ein versöhnender Stern an der Ausgehuniform prangte. Nach der Landung des Hubschraubers wurden die blutleeren Überreste pietätvoll geborgen und das ausgelaufene Blut auf der Ladefläche ritterlich mit Wasserschläuchen weggespült.

Aber wofür waren die Verstümmelungen und das Sterben gut? Das liegt auf der Hand: um den Preis für den Waffenstillstand in die Höhe zu treiben, den Wahlkampf nicht zu gefährden, dem politischen Gegner eins auszuwischen und sich selbst als tatkräftige Helden zu inszenieren. Nicht zuletzt ging es bei der Teilnahme am Krieg, um die heilige Pflicht Gottes Willen zu erfüllen.

Wie toll es ist, für eine gute Sache zu dienen, zeigen Siegesparaden und Werbefilme der Armee. Es ist müßig, darüber nachzudenken, für wen Soldaten töten und sich töten lassen sollen; die Notwendigkeit, am Krieg teilzunehmen, darf, wie schon Wieler sagte, niemals in Frage gestellt werden. Auch nicht, wer mit welchem Recht den Befehl gibt, andere Menschen zu töten und sich töten zu lassen. Schließlich geht es auch um die Karrieren von Politikern und Generälen, um die Gewinnmaximierung von Großkonzernen, um die Vermehrung des Reichtums der Rüstungsindustrie und nicht um die Unversehrtheit nutzloser Mitesser, die auf dem Schlachtfeld besser aufgehoben sind, als sich weiterhin wie lästige Ferkel an der Zitze der Muttersau von der Welt aushalten zu lassen.

Wie sich das aber mit dem von oben verordneten Hass auf das eigene Vaterland verträgt, wenn man lauthals skandiert, es solle verrecken und Bomber Harris hätte das ganze Volk wegbomben sollen, Vaterlandsliebe zum Kotzen findet, wird dem Soldaten ein unlösbares Rätsel bleiben, der für dieselben Herren, die von ihm verlangten, das eigene Land und sein Volk zu verabscheuen, es plötzlich doch wert finden soll, dafür zu töten und zu sterben.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Regina (30.06.24, 03:21)
Und neuerdings reden sie nicht einmal mehr von "Verteidigungsfähigkeit", sondern von "Kriegstüchtigkeit". Da geht es mit neuer Wehrpflicht der deutschen Jugend an den Kragen, nach einer zu erwartenden Grundgesetzänderung auch der weiblichen. Schließlich kann eine Tötungsmaschine auch von femininer Hand bedient werden. Später wird es dann auch die jungen Migranten erwischen (endlich eine bessere Verdienstmöglichkeit). Der Kern der kriegerischen Auseinandersetzung aber wird, weil technisch anspruchsvoll, so der Kriegsminister, weiterhin von Berufssoldaten verrichtet werden müssen. 
Verantwortung für die grauenhafte Politik wird man einzig Putin in die Schuhe schieben.
Da sie sich aber von konservativ bis linksgrün einig sind, tut sich derzeit keine Möglichkeit auf, eine solche Politik abzuwählen.

 hehnerdreck meinte dazu am 30.06.24 um 04:22:
Was heute geschieht, hat sich seit langem abgezeichnet. Whistleblower haben uns gewarnt. Aber man hat es als Hirngespinste von Verschwörungstheoretikern abgetan - heute ist es Normalität - natürlich will niemand bei denen gewesen sein, die die Warnungen ins Lächerliche gezogen haben.

 Agnetia antwortete darauf am 30.06.24 um 11:13:
besonders schön auch, wenn die Fußball-EM instrumentalisiert wird, um die Frontsoldaten zu motivieren. Siehe mein Gedicht EM-Farce.
Diese Welt ist nur noch zum Kotzen... :(
lG von Agnete

 Beislschmidt (30.06.24, 16:49)
So isses, genau so!


Der Regisseur Stephan Suschke fordert in einer scharfen Polemik, dass auch deutsche Politiker mit der Waffe an der Front dienen. Ein Gastbeitrag.

Sehr geehrter Herr Hofreiter,
Ich finde es gut, dass Sie endlich Seit an Seit mit Herrn Röttgen und Frau Strack-Zimmermann marschieren. Da wird deutlich, dass auch ein ungedienter Grünen-Politiker sein patriotisches Herz auf dem richtigen Fleck hat. Ich finde auch, dass Sie - natürlich gemeinsam mit den anderen beiden - endlich die Waffe ergreifen sollten und unsere Freiheit am Dnjepr, also am Dnipro, um genau zu sein, verteidigen sollten. (Das hat ja am Hindukusch auch so gut geklappt.) Außerdem ist es gut, dass man gegen die Russen endlich mal auf der richtigen Seite steht und diese Schmach des verlorenen Weltkriegs ausmerzen kann.


https://weltwoche.ch/daily/theaterregisseur-stephan-suschke-sehr-geehrter-herr-hofreiter-sie-sollten-endlich-die-waffe-ergreifen-und-unsere-freiheit-am-dnjepr-verteidigen/

Kommentar geändert am 30.06.2024 um 16:50 Uhr

 hehnerdreck schrieb daraufhin am 30.06.24 um 23:56:
Tolles Zitat! Danke Beislschmidt! Olivgrüner Schutzpatron der Rüstungsindustrie mit Vorliebe für moderne Waffen. Kein Blutbad ist ihm groß genug, das diese Waffen anrichten können.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram