Die Bestimmung

Schundroman zum Thema Lebensweg

von  Citronella

 

Detlef Walmerott hatte eine Aufgabe. Nein, eigentlich war es mehr als eine Aufgabe, es schien ihm als durch und durch gläubigem Menschen wie eine Bestimmung.

Seine Kindheit war nicht leicht gewesen: Der Vater, ein auch nach 1945 immer noch überzeugter Nazi, hatte viele Jahre lang seine Familie traktiert. Irgendwann in den 60er-Jahren verschwand er von einem Tag auf den anderen. Da hatte Detlef längst begonnen, komplett abzulehnen, was dem Alten wichtig gewesen war, in erster Linie die Farbe braun. Alles, was braun war, behielt keinen Platz in Detlefs Welt. Er verweigerte braune Hosen, braune Schuhe, braune Jacken – seine Mutter ließ ihn gewähren. Sie hatte ihrem Sohn gegenüber längst Abscheu entwickelt, weil er dem Vater äußerlich immer ähnlicher wurde. Und auch noch zahlreiche Macken von ihm übernommen hatte, z.B. Sammelleidenschaft jedweder Art.

So begann der kleine Detlef schön früh mit dem Sammeln von bunten Blättern. Nicht, um sich daran zu erfreuen, sondern um vor allem die braunen zu vernichten. Beschränkte er sich zunächst auf den weitläufigen Garten des Elternhauses, erweiterte er mit den Jahren seinen Radius auf die Gehwege seines Viertels, später auch noch den Stadtpark. Er konnte kein braunes Blatt längere Zeit liegen sehen, ohne es in den nächsten Abfallkübel zu stopfen. Im Spätherbst sah man ihn sogar manchmal mit einem riesigen Müllbeutel herumlaufen, der dann mit braunen Blättern befüllt in die nächstbeste Tonne gestopft wurde. Ruhe gab es für ihn eigentlich nur im Winter und im frühen Frühling.

Mit zwanzig verließ Detlef seine Mutter, was ihm schwerer fiel als ihr. Mit Mädchen hatte er bis dahin kaum Erfahrungen gemacht, so schön wie seine Mutter fand er sowieso keine. Er begann ein Studium in einer anderen Stadt, das ihn bald langweilte, und blieb auch dabei der Eigenbrötler, der er immer schon gewesen war. Freundschaften zu schließen fand er schwierig, und an junge Frauen traute er sich nicht heran.

Da überredete ihn eines Tages ein Kommilitone, mit ihm zu einer politischen Veranstaltung zu kommen. Es wurde eine Offenbarung für Detlef. Die Partei, die diese Veranstaltung organisierte, hatte es zu einem ihrer Grundsätze gemacht, alles Braune zu vernichten. Detlef blühte auf. Er engagierte sich in meisterlicher Weise für diese Partei, und als kurz darauf das Internet erfunden wurde, gab es kein Halten mehr. Er kümmerte sich um alles Braune, real oder auch nur eingebildet, er saß Tag und Nacht vor dem Rechner, um seinen Parteifreunden immer neue Fälle melden zu können. Die entschieden dann über das weitere Vorgehen. Was er anderen Menschen mit dieser Arbeit antat, war ihm als Soziopath völlig egal.

Und so wird Detlef wohl bis an sein Lebensende dieser Mission folgen und nicht mehr von seinem Weg abzubringen sein. Was für ein erbärmliches Leben!



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Kommentare zu diesem Text


 niemand (30.10.24, 19:25)
@ Citronella
Ich könnte es mir durchaus vorstellen, dass so mancher Nachwuchs eines
Grünen, welcher mit der Ideologie dieser Partei bis zum Irrsin gequält wurde,
it der Zeit eine genau so ablaufende Neurose gegen eine Farbe entwickeln könnte. Ich stelle mir vor, wie solch ein Mensch vom Frühling bis hin zum ersten Herbst auf Bäume klettert, mit dem innigsten Bedürfnis die grünen Blätter abzureißen um diese danach zu vernichten. Der kann doch an keinem Rasen vorbeigehen, ohne in den Garten des Besitzers einzudringen, mit der Absicht das Grün der Grashalme auszumerzen. Man stelle sich mal vor, was ein solcher mit einer Person zu machen imstande ist, welche mit Vorliebe grüne Pullover trägt. Der reißt ihr doch die Strickware vom Körper, und wenn dann noch die Unterwäsche grün sein sollte, dann schütze sie Gott vor der vollständigen Entkleidung   :O  Gleiches könnte allerdings auch der Nachwuchs
eines FdP-lers entwickeln, oder eines Linksradikalen, wobei das Vorgehen sich ähneln, nur die Hassfarbe wechseln würde. Gelbe Socken, rote Socken
etc. etc. allerdings hätten diese etwas weniger Arbeit beim Ausmerzen, denn die meiste Umweltfarbe ist doch ein Grün. Bei einer SPD-Neurose bin ich mir im Bezug auf die Farbe nicht so sicher. Rosa, wegen der roten Abnutzung? Na, ja, vielleicht möchte man dann so etwas wie den sich rötenden Himmel des Abends aus der Welt schaffen, was natürlich schwierig sein könnte im direkten Anpacken des Übels. Allerdings könnten dabei einige graue Wölkchen dem Betreffenden nützlich sein.Das Rosarot verschwände dann :D 
Bei der CDU denke ich da an das Hassen der schwarzen Farbe. Ergo müsste man etwas gegen die Nacht machen dürfen, allerdings nur auf dem Lande,da die städtischen Nächte überbeleutet sind. Und hier stellte sich dann die Frage nach der Farbe der Lichter. Es soll ja rote, gelbe, ja, sogar grüne geben.
Endlich mal eine Vollbeschäftigung, also weniger Arbeitslose. So hat alles seine guten Seiten  8-)  LG Irene

 Citronella meinte dazu am 30.10.24 um 19:33:
Ja, du hast Recht, Irene, die Geschichte ist ausbaufähig. Regenbogen-mäßig, sozusagen. ;)

LG Citronella

 EkkehartMittelberg (30.10.24, 19:42)
Ein anschauliches Beispiel für Fanatismus. Die Farbe braun ist austauschbar.

LG
Ekki

 Citronella antwortete darauf am 30.10.24 um 20:07:
Richtig, Ekki. Irene hatte da ja schon einige Ideen.

Ich wage trotzdem mal die Behauptung, dass nicht alle Farben gleich fanatisch bekämpft werden ... 8-)


LG Citronella
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