Blumen um 22:58
Lyrischer Prosatext zum Thema Zuhören
von S4SCH4
Sie brachte mir einen Blumenstrauß. Um 22:58 Uhr, am Abend meines Geburtstages. Dieser sollte nach Adam Riese noch 62 Minuten währen, wenn denn alles so weiterliefe wie bisher; und davon ging ich jetzt noch aus. Ich wollte sie erst fragen, ob sie verrückt sei, weil sie so spät mit Blumen ankam, doch das tat ich nicht. Ich brachte es nicht über die Lippen. Bat sie stattdessen herein. Sie setzte sich hin, auf mein Sofa und dann hielt mein Alter-Ego (und ich), ihr einen Monolog. Kurzfassung:
Immer sagen was man weiß, aber weiß man immer was man sagt? Ist doch überflüssig. Oder? Double Check? Wahrheitsideale mit Messlatte? Nein. Ist doch Latte. Wenn man wusste, was man nun sagt, und gegenwärtig, wenn es sich ausspricht, nicht mehr (bewusst) weiß, da es "nur" gesagt wäre, ist man nicht zwangsläufig von gestern, sondern es trägt sich das "Herz", in welchem ja bekanntermaßen alles Wichtige aufbewahrt wäre, auf der Zunge.
Auf Nummer sicher gehen, es sagen, also mit einem noch zu erzielendem, in Zukunft liegendem Zweck adressieren und dabei gegenwärtig bewusst wissend sein, sowie es bereits einmal (kurz und auch lange davor) gewusst haben, ist so etwa wie: Essenz einer sich selbst essenden Sentenz. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft auf den Punkt gebracht. In aller Widersinnigkeit und allem Eifer, in allem Bestreben und mit allem Vergessen, mit aller Macht und der Demut eines Bedürftigen; alles in ein Bullseye geworfen. Treffer? Nee, sagt der Profi, ich wollte die dreifach Zwanzig.
Was bleibt übrig von diesem Blumenstrauß aus verwelkenden, noch zu erblühendem und gerade doch geschnittenem Grünzeug? Natürlichkeit reduzieren, angereichert mit Selbsterkenntnis und dabei düngend sehen, Wettrüsten des Wuchses und der Überzeugung. Zielgerichtet abgerichtet wird das blumige Ouvre schnell zu einem Rottweiler, einer der sich zähnefletschend und spielend selbst in den Schwanz beißt- oder ihm zumindest im punktgroßen Kreis hinterherjagt. Mit Aa am A(a)llerwertesten. Will der etwa nur spielen, oder wird ihm auch übel? Gar bevor er übel wird?
Sagen was bewegt, sich davon bewegen lassen und bewegt bleiben. Nicht derart pünktlich und nicht so punktgenau im Kreise. ´Laissez-faire, würde man das so sagen?´, fragte ich abschließend meinen Besuch auf dem Sofa.
Sie war eingeschlafen. Es schlug zwölf und ich schaute auf die Blumen. Schöne Bescherung, dachte ich, aber Weihnachten kommt ja erst noch.