Stacheldraht

Expressionistisches Gedicht zum Thema Schmerz

von  Jack

Dieser Text ist Teil der Serie  Nihilyrik

Der Brite


unserem sohn werde ich erzählen

wie dieser hunne sich ergab

in allen sprachen der entente

der einzige den ich lebend sah


sonst sehe ich sie nur im stacheldraht

aber das sind dann leichen

ich träume von unserem rosengarten

mit blüten aus stacheldraht


wie die verlobte es warm und trocken hat

wie still es dort ist auch davon träume ich

wenn wir köln erob


neuer brief explosion überstanden

mit dem sohn wird das wohl nichts

sagen sie aber wer weiß

lieber hätte ich einen arm verloren

wird aber auch noch passieren

warum warum dieser krieg

wir können die erde auch friedlich

in stacheldraht umwickeln


wenn wir köln erobern unwickle ich

eine deutsche frau mit stacheldraht

andere haben mehr freude

aber man muss opfer bringen

was werde ich wenn dieser krieg vorbei ist

vielleicht ein stacheldrahtgärtner


von einem scharfschützen ins gesicht getroffen

und dann noch granatsplitter

es war ein guter tag

viele krauts erledigt

und für mich ist dieser krieg vorbei

die plastische chirurgie wird mein gesicht

wiederherstellen das ist das mindeste

das die zivilisten uns schulden


zu viel hass im letzten brief

auf uns auf die auf alle

gewinnen und abhaken

leider komme ich nicht mehr zurück

dieser zug ist abgefahren

aber der sieg ist nahe

...und als ich ankam

da verblutete sie in den rosensträuchern

einem natürlichen stacheldraht


Der Preuße


haut aus stacheldrahlt

was wird aus dir

wenn sie zärtlichkeit brauchen

zum glück braucht der krieg sie nicht

er weint granatslpittertränen

seit drei jahren und sollte doch

so schnell vorbei sein


figuren aus stachelgrat

antike göttergestalten

weisen den weg

ich will nach indien reisen

wenn es noch möglich ist

ruhe wär schön

doch die stille

gibt sie mir nicht

zurück an der front

dann immer erleichtert

ich kann dann besser einschalfen

wenn ich mal schlafen kann


neulich im traum

stand der alte hindenburg

langsam vom stuhl auf

wie ein könig

und gratulierte uns zum sieg

möge er kaiser werden

wolken aus stacheldraht

kommt jetzt der schlaf

das schönste am krieg

möge er nie vorbei gehen

ich mache mir sorgen

um meinen schlaf


zu hause

wird es nicht sein wie es war

oder es wird kein zuhause sein

oder ich baue mir ein zuhause aus stacheldraht

berge aus stacheldraht schon bestiegen

und überlebt also stacheldraht und ich

ich und stacheldraht ist das was

für die traumdeutung


artillerie in der ferne

hier erreicht uns nichts

wir sind auf mehr vorbereitet

am mond vorbei er reitet

der russische kaiser der abgedankt hat

bald dankst auch du

ich sehe kathmandu

und thimphu


Der Franzose


Nivelle! Milliarden Sterne sah die Nacht,

führ morgen wieder an!

Ein Sprint in das Gewisseste der Welt:

die Heimat Tod, doch vorher noch ein Lauf:

das ist nicht Selbstmord, das ist Offensive!

Schön jeder Meter, den du läufst, Soldat,

bedeutungsvoll ist jeder Atemzug,

wer auf dich schießt, der hat auch seinen Platz,

pulsiert in ihm die Harmonie der Welt.


Die Leute sind so asozial zu mir,

maskierte Augenfressen gucken aus

Verlegenheiten raus; dass ich nicht tret

zeitlupengangs auf Hypochonderschaben.

Alles ist hässlich, aber alles lebt.

Es lebt! Welch Drohung. Dieser Müllsack auch?

Wenn Socken hängst, häng zwei, sonst einsam fühlt

die Eine sich. Die Lebenspandenmie

der nackten netten Opfer. Jeder Tod

ist schrecklich durch die Peinlichkeit, er ist

unpassend zu Konsum und zu Konsens.


Ich sehe Sterne. Ja. Ich sehe, sterbe.

Billionen, Sextillionen will ich sehn!

Auch Niederegger Marzipan mag gerne.

Zerrissen, nicht? Nicht wirklich. Willst du hörn,

mir sei Bequemlichkeit so lieb und wichs,

dass ich nicht kriege, was im Kriege kriegt

der Franzmann, der noch zehn Sekunden lebt?

Nimm du ein Messer, schneide sie dir ab,

Tentakel, Rüssel, die dir aus der Gier

nach überzuckert leichten Lüsten wachsen.

Scharf schmeckt das harte Wasser freier Lust.




Anmerkung von Jack:

11.2021

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