Wohlgeborene Herr Campbell hat es anders gemeint
Im Salon der Familie Whitmore, wo der Tee stets dampfte
und die Etikette schärfer war als das Porzellan,
saß Herr Campbell – ein Mann von tadellosem Ruf und leicht verwirrendem Ausdruck.
„Ich finde, Lady Whitmore hat ein… bemerkenswertes Talent für das Dramatische“,
sagte er, während er seinen Tee umrührte, ohne ihn je zu trinken.
Lady Whitmore erstarrte.
Die Gäste hielten den Atem an. War das ein Kompliment? Oder ein Affront?
„Wie meinen Sie das, Herr Campbell?“ fragte sie mit einem Lächeln,
das mehr Kälte als Höflichkeit enthielt.
Herr Campbell blinzelte, als hätte er gerade erst bemerkt,
dass Worte Wirkung haben. „Oh, ich meinte es bewundernd. Ihre Fähigkeit,
selbst aus einem verlorenen Handschuh eine Oper zu machen – das ist wahre Kunst.“
Ein Murmeln ging durch den Raum.
Lady Whitmore entspannte sich. „Ach so“, sagte sie. „Dann danke ich Ihnen.“
Doch als sie sich abwandte,
murmelte Herr Campbell leise: „Wobei ich Opern nie besonders mochte.“
Ich träumte von einem seltsamen Traum heute Nacht.
Schwiegersohn hat im Empfangszimmer des Schlosses eine Galerie.
Viele interessante – überwiegend von mir gemachte Bilder –
schmückten die weissgestrichene Wände. Ein Bild konnte ich nicht einordnen:
habe ich es gemalt und wann?
Plötzlich tauchte er neben diesem Bild sein Doppelgänger.
Ich merke da im kritischen Punkt eine fast unerkennbare Abweichung,
fast als ob ein ungeübter Fälscher die Aufgabe vermasselt hätte.
Dann blitzte mir durch den Kopf die unausgesprochene Frage:
“Hochwohlgeborener Herr Campbell hat es anders gemeint”.
Es ging um zwei Details von den in zart rosafarben gestalteten Bildern.
Um zwei Löcher, genau gesagt.
Bei denen hat der fiktive Fälscher Fehler gemacht.
Erstes Loch wirkt halb geschlossen, das Andere halboffen.
Der Betrachter ist hier in der Pflicht.
