Sie faltete für ihr Leben gerne Papierflieger. Eines Morgens war sie alleine zu Hause und fand nirgends auch nur eine alte Zeitung oder einen Werbeprospekt. Zögernd öffnete sie auf ihrer Suche den verbotenen Schrank. Direkt vor ihr lag ein silberfarbener Bogen, den sie an sich nahm. Am Küchentisch begann sie sorgfältig mit ihrer Bastelarbeit. Hui, das würde ein ganz besonders schöner Flieger werden.
Noch bevor sie ganz fertig wurde, fing der Flieger plötzlich an, sich zu bewegen. Er wand sich aus ihren Fingern, wurde größer und größer und schließlich zu einem richtigen Flugzeug. Einer Boeing oder so. Sie stand daneben und schaute staunend zu den riesigen Flügeln und dem kleinen Cockpitfenster hinauf, das in diesem Moment von innen aufgeschoben wurde:
„Guten Morgen, kleine Lady! Wollen wir eine Runde drehen?“
Sie sah ein spitzbübisches Bärengesicht, über dem eine kecke Pilotenmütze thronte.
‚Kleine Lady‘, das gefiel ihr. Ihre Großmutter nannte sie ständig so. Vor allem nachmittags, wenn es Kekse gab, die sie dann in die leckerste selbstgemachte Marmelade der Welt stippen durfte.
Aber ihre Großmutter hatte sie auch davor gewarnt, allzu vertrauensselig auf Fremde zu reagieren:
„Ich bin keine kleine Lady“, entgegnete sie, „ich bin ein Nasi Goreng!“
Das war, so weit sie sich erinnerte, ein gewaltiges feuerspeiendes Fabelwesen, das ganze Städte mit nur einem Happs verschlucken konnte.
„Oha!“ Das kleine Fenster wurde in Windeseile wieder zugeschoben und in der nächsten Sekunde war das Flugzeug nur noch ein kleines silbernes Funkeln zwischen den Wolken. Sie stand mutterseelenallein auf einer riesigen Asphaltfläche. Was nun?
Nach kurzer Zeit bemerkte sie eine Art Golfmobil, das direkt auf sie zusteuerte. Am Steuer saß ihre Großmutter.
„Du hast den verbotenen Schrank geöffnet“, grummelte sie, als sie das Golfmobil neben ihr zum Halten brachte. „Steig ein!“
Sie kletterte auf den Sitz neben ihrer Großmutter. Das Golfmobil beschleunigte und für kurze Zeit war sie so in ihren Gedanken versunken, dass sie später nicht mehr sagen konnte, wie sie zurück an den Küchentisch gelangt war. Sie hatte ein Glas Limonade vor sich stehen und ihre Großmutter sah sie streng an:
„Hast du auch in meiner Unterwäsche gewühlt?“
„Was? Äh, nein! Da war nur dieses silberne Blatt, das ich genommen habe“.
Großmutters Blick wurde milder.
„Dann ist ja gut. Was möchtest du zum Mittagessen? Nasi Goreng?“
„Boah, iiih, nee! Lieber Spaghetti!“