Wie viele Menschen hast du gut behütet und selbst zwei Kriege schadlos überstanden. Manch stürmisch Wind hat über'm Dach gewütet. Darunter, wo sich Schwalbennester fanden und wilder Wein bis an die Fenster kroch, es täglich aus der Küche köstlich roch, darunter lebten Menschen, jung und alt, sie lachten, weinten, spielten, aßen, schliefen; du schenktest ihnen Wärme, Platz und Halt.
Und über all dem bunten Leben liefen die Jahre fort. Du wirktest strapaziert doch plötzlich war kein Mensch mehr int'ressiert an deinen viel genutzten hohen Räumen, den Flügelfenstern und den Sandsteinmauern, dem Garten mit den sturmerprobten Bäumen. Nicht zeitgemäß. Sie ließen dich versauern, bis deine starken Mauern Risse zeigten und Schieferplatten sich vom Walmdach lösten, die Zimmerdecken sich zum Boden neigten und die Tapeten jede Wand entblößten. Nun musstest du der Abrissbirne weichen.
Man ließ die Zeit nicht tatenlos verstreichen, bald stand auf deinem Platz ein neues Haus; ein Betonklotz, so seelenlos und kalt kein Duft, kein Kinderlachen weht hinaus; doch trotzig drängt aus einem kleinen Spalt nebst Schotter und Gestein ein Löwenzahn und bricht sich unaufhaltsam seine Bahn.
Anmerkung von Janna:
2019
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