Dreißig Ehejahre - da braucht Mann Glück

Kalendergeschichte zum Thema Geld

von  eiskimo

Dass manche Ehen so lange halten, liegt oft - auch! - an kleinen Zufällen, glücklichen Zufällen. Das ist auch in Frankreich nicht anders. So wie jetzt bei Jean-Pierre und Monique, die es schon dreißig Jahre miteinander aushalten.

Monique legt viel Wert auf die Rituale der Ehe, dass man zum Beispiel Geburtstage und Jubiläen „anständig“ feiert, wie sie es formuliert. Anständig, das weiß wiederum Jean-Pierre, heißt bei ihr: Teuer! Sie will halt schon spüren, dass sie etwas Besonderes ist in seinem Leben, und dann schon ein bisschen mehr Zuwendung abkriegen als Jean-Pierres Motorrad, seine Malerei oder die Freunde vom Chor.

Dabei ist dieser Ehepartner nicht geizig. Und schon gar nicht von Armut bedroht. Er rechnet nur immer sehr genau nach, ob sich eine Ausgabe auch ja gelohnt hat, gerade bei so sentimentalen Dingen. Und dann jedes Jahr immer wieder dafür so große Summen investieren?

Wie auch immer – Jean-Pierre war in der Pflege seiner innerehelichen Daten eher nachlässig. Wie sagt Monique schon mal in der Runde ihrer besten Freundinnen seufzend: Dieser Mann ist verdammt ich-bezogen. Er braucht seine Auftritte in großer Runde – sei es bei Konzerten mit dem Chor oder auf seiner alten Honda, die ihm scheinbar seine Jugend wiedergibt. Schön für ihn, dass er sozial so eng vernetzt ist, aber darf er deshalb die eigene Ehefrau vernachlässigen?

Nein! Aber jetzt, beim 30.Hochzeitstag, Termin 14. August dick angestrichen, da wollte Jean-Pierre mal einen schönen Coup landen ...  aber beinahe wäre es für ihn böse ins Auge gegangen.
Er hatte endlich einmal weit vorausschauend ein „anständiges“ Lokal reserviert – drei Sterne Michelin, das ist schon eine Hausnummer. Monique war sichtlich beeindruckt ob seiner ungewohnten Großzügigkeit. „Le Lion d´Or“ mit seinen Sterneköchen, da käme er nicht unter 300 Euro ´raus – pro Person, den Wein noch nicht eingerechnet. Sollte Monique sich nach all den Jahren in ihrem Gatten etwa getäuscht haben?

Nein. Der sparsame Jean-Pierre hatte sich nämlich schlau gemacht und herausgefunden, dass diese Edel-Lokal tatsächlich auch ein deutlich günstigeres Menü im Programm hatte, eins für 120 Euro, allerdings dies nur in der Woche und nur mittags.

Egal - das sollte und musste es sein! Monique würde den kleinen Etikettenschwindel nicht bemerken. Er stände also an diesem 14. August da als der ganz große Gönner, jedenfalls nicht wie ein chronisch alles Gegen-Rechnender, der dreißig Jahre Ehe kleinkrämerisch herunterfeierte.

Am ausgesuchten Festtag schaute unser Ehe-Jubilar dann sicherheitshalber noch einmal auf die Homepage des „Lion d´Or“ - ob auch ja alles klappen würde.

Oh, Schreck! Was war das?? Er las im Kleingedruckten, dass das von ihm ins Auge gefasste Spar-Menü am Vortag zu Feiertagen oder Brückenwochenenden NICHT angeboten würde! Und in Frankreich ist der 15. August ja Feiertag! Will sagen: Der Auftritt käme ihn dreimal so teuer... Wieso hatte er das nicht vorher gelesen? Wie konnte ihm das nur passieren!!

Schnappatmung, Selbstvorwürfe, fast Suizidgedanken.... Was sollte er tun?

Diese Panne brächte ja seine ganze August-Kalkulation aus dem Lot! Und da sie am Monatsende auch noch eine kleine Städtereise planten - das könnte dann tatsächlich knapp werden!

Sollte er da vielleicht spontan einen häuslichen Unfall simulieren, von der Kellertreppe abrutschen, einen Notarzt-Einsatz provozieren? Höhere Gewalt sozusagen, um aus dieser Bredouille zu kommen? 

Aber das Lokal hatte bei der Reservierung natürlich seine Kreditkartennummer eingelesen und strenge Vorgaben gemacht – bei Nicht-Erscheinen würden die zwei Menüs in Rechnung gestellt...

Oh, wie brutal können dreißig Jahre glücklicher Ehe sein?

Schauspielerisch war das, was nun folgte, aber höchst bemerkenswert. Denn Jean-Pierre fiel keine Treppe herunter. Er zeigte auch keine anhaltende Leichenblässe, und schon gar nicht traute er sich, seine so schön geschminkte Monique mit irgendeiner faulen Ausrede zu konfrontieren.

Nein, er schaffte es tatsächlich, halbwegs gefasst zu dem großen Edellokal zu fahren. Halbwegs. Denn er redete nicht viel, als er am Steuer saß, und Monique fand ihn auch insgesamt etwas bedrückt – nachdem er doch im Vorfeld diese Essenseinladung noch so triumphierend herausgestellt hatte.

Jean-Pierre selber haderte innerlich. Und wie. Es hätte doch so gut gepasst – der noble Schauplatz, seine so großartige Geste gegenüber Monique ... bei DEM Preis … Aber dann zwang er, sich stark zu sein. Es wären halt fünhundert Euro futsch, sagte er sich. Ohne Mehrwert! Aber er hätte ja auch mit dem Motorrad dem Nachbarn eine Beule ins Auto fahren können – das wäre noch viel teurer geworden...

Mit dieser Strategie der mentalen Schadensbegrenzung führte er dann seine Gattin in den Drei-Sterne-Tempel, nach außen ganz der souveräne Jubilar, der jetzt – wenn schon alles so teuer! - diese luxuriöse Szenerie auch genießen wollte. Genießen? Innerlich addierte sein Über-Ich schon die möglichen Extras. Klar, vorab der Apéritif. Dann der Wein, das Wasser dazu. Und wäre am Ende noch ein Kaffee drin? In diesem teuren Schuppen??

Man reichte ihm die Menükarte, die für den Herren, mit den Preisen. Und was las er da? Es gab das Spar-Menü! ES GAB ES!! In klein gedruckt die Erklärung … wenn alle am Tisch es wählen.

Olala – kann ein Hochzeitstag auch schön sein! Jean-Pierre lief schlagartig zu Hochform auf, denn die gute Monique spielte bei der Menüauswahl brav mit. Das veranschlagte Budget würde also locker reichen. Ouff...Welche Erleichterung!

Jean-Pierre ließ sich dann bei der Wahl des Weines auch nicht lumpen – alles Weitere war in diesem Tempel dann „comme il faut“. Und natürlich schlürften die beiden zum Abschluss auch noch „deux petits cafés“ , unfassbar entspannt.

Fazit: Wieder einmal hatte ihre Ehe das, was eine „mésaventure“ hätte werden können, gut überstanden. Zufälle hin, Zufälle her.




Anmerkung von eiskimo:

Restaurants sind für (Ehe-)Paare generell eine wichtige Adresse - ich empfehle, da großzügig zu agieren

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (16.08.25, 23:16)
Anscheinend ist es für das Glück unerläßlich, daß es der Mann ist, der das Fest zum ehelichen Jubiläum bezahlt. Dabei vermute ich fast, daß Monique sich - wie fast alle Frauen heute - als emanzipiert bezeichnen würde. Das geheime Seelenleben emanzipierter Frauen erschließt sich mir nicht immer.

 eiskimo meinte dazu am 16.08.25 um 23:23:
Wenn Jean-Pierre Deinen Kommentar lesen könnte, würde er den Daumen hochrecken.... Vielleicht traute er sich, nur noch jedes zweite Jubiläum zu finanzieren. Vive l´émancipation!

 Graeculus antwortete darauf am 16.08.25 um 23:31:
Es ist sicher weise und einer glücklichen Ehe resp. Partnerschaft förderlich, nicht allzu sehr auf Prinzipien zu beharren, sondern solche Themen mit Humor zu behandeln.
Davon zeugt übrigens auch die Art, wie Du Deine Geschichte erzählst.

 eiskimo schrieb daraufhin am 17.08.25 um 11:48:
Ich finde es auch in erster Linie witzig - diese Fixiertheit auf Preis-Leistung. Ein bisschen wird es ja antrainiert von unserem Wirtschaftssystem.

 Saudade (16.08.25, 23:45)
Zeitweilig unlogisch. Einerseits, 
Und schon gar nicht von Arm
andererseits 
Hätte er überhaupt genug Dispo auf seiner Kreditkarte?
Übergeizige Männer, deren Frauen stets alles für sie tun, dies als Paranthese, damit sie ihren Geiz ausleben können, wissen immer über ihr Finanzleben Bescheid.

 eiskimo äußerte darauf am 17.08.25 um 11:43:
Im Ansatzt stimme ich Dir zu - die Dispo-Angst ist etwas krumm. Übergeizig aber ist er nicht, wohl sehr fixiert auf den Gegenwert, den er unbedingt haben muss - so günstig wie möglich...

 Saudade ergänzte dazu am 17.08.25 um 19:03:
Ja, somit geht es nicht um des Schenkens Willen, sondern nur um sich.

 eiskimo meinte dazu am 17.08.25 um 21:25:
Du bringst eine schöne Vokabel ins Spiel: SchenKen.
Jean-Pierre kann nicht schenken. Wenn er etwas gibt, dann ist das wie ein Handel,  eine Investition...

 AchterZwerg (17.08.25, 06:55)
30 Ehejahre sind allemal drei Sterne wert! Man muss nur daran glauben.  8-)
Ein Vorteil liegt ohnehin darin, dass sich der Ehemann nach dem obligatorischen Restaurantbesuch endlich wieder seiner Honda widmen kann - und a Ruah is!

 eiskimo meinte dazu am 17.08.25 um 11:45:
Sehr gut erkannt. Wie bei Kilius/Bäumler: Das eine ist die Pflicht, das andere die Kür (Eiskunstlauf)
LG
Eiskimo (Eiskunstlauf liegt mir so etwas von fern...)
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