Auf Romanoffs Dachterrasse

Roman

von  Wastl

Spencer Tracy – ich nenne ihn sonst immer Spence – und ich saßen wie immer an unserem alten gedeckten Tisch auf Romanoffs Dachterrasse, einander gegenüber. Zwischen uns stand wie immer unser alter Tisch, auf dessen Tischdecke der Name „Romanoff” eingewebt war.

Auf der Tischdecke des Nachbartischs, an dem Gregory Peck – den ich immer Greg nenne – mit seiner französischen Frau saß, war sogar der Schriftzug „Romanoff's Dachterrasse” eingewebt. Spence und Katherine Hepburn, die ich sonst immer Kate nenne, waren wegen der Tischdecke schon immer ein wenig eifersüchtig auf Greg und seine französische Frau. Auf der Tischdecke unseres alten, gedeckten Tisches wurde nämlich nur der Name „Romanoff” in den nicht gerade besonders teuren Baumwollstoff eingewebt.

Spence meinte sogar, dass die Tischdecke, an der Greg und seine französische Frau saßen, aus Leinenstoff gewebt wurde, im Gegensatz zu unserer Tischdecke. Es würde sonst keinen Sinn machen, einen so großen Aufwand an Stoffstickerei zu betreiben, wenn es sich, wie bei unserer Tischdecke, nur um Baumwolle handeln würde.

Zudem hatte Kate schon einmal erwähnt – ich kann mich noch daran erinnern, sie klang dabei ziemlich ärgerlich –, dass die Stoffstickerei auf der Tischdecke an Gregs Tisch auffallend größer war als die auf unserer. Allein diese Tatsache war schon so gut wie ein Beweis dafür, dass die Tischdecke auf dem Tisch, an dem Greg und seine französische Frau saßen, teurer war als die Tischdecke auf dem Tisch, an dem Spence und ich saßen. Ein Zustand, der nach Spence's Ansicht ungerecht war und sich unvorteilhaft auf sein Gemüt auswirkte.

Spence vertraute mir an, dass ihm beim Nachdenken über diese Ungerechtigkeit während des Verzehrs eines Hähnchenschenkels ein subtiler, übler Nachgeschmack aufgefallen sei, unter dem er psychisch noch tagelang gelitten habe.

Für mich persönlich war es kein großes Problem, dass die Tischdecke auf dem Tisch von Greg und seiner französischen Frau offensichtlich wertvoller war als unsere. Ich wunderte mich ein wenig über Spences missgünstige Bemerkungen gegenüber Greg und seiner französischen Frau. Zuvor hatte ich noch den Eindruck, dass er beide gern hatte. Außerdem war es ja nicht ihre Schuld, dass Romanoff unterschiedlich wertvolle Tischdecken auf seinen Tischen herumliegen ließ. Manchmal wünschte ich insgeheim, dass Romanoff selbst einmal auf die Idee käme, der Gerechtigkeit halber ab und zu die Tischdecken zu tauschen, sodass auch Spence, Kate und ich in den Genuss kämen, jene Tischdecke auf unserem Tisch zu haben, deren Namenszug länger war und deren Strickerei auf der Oberfläche des Stoffes im Volumen größer war als die der offensichtlich billigeren Tischdecke, die wir sonst jeden Tag vor uns hatten.

Später erfuhr ich von Kate, dass es Spence nicht um Greg und seine französische Frau ging, über die er verärgert war, sondern dass es ihm ums Prinzip ging. Und noch viel später erfuhr ich, dass das Ganze eine abgesprochene Verarsche gegen mich war. Alles war nur gespielt. Spence hatte einer Tischdeckenmanufaktur den Auftrag gegeben, für Romanoff Tischdecken mit seinem Namenszug in verschiedenen Ausführungen herzustellen.

Das Ganze war also nur ein abgekartetes Spiel, um sich an mir zu rächen. Spence hatte durch einen Freund erfahren, dass ich … Aber dazu später mehr.

Fortsetzung folgt


Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online: