Blumen von Herrn Kirchner

Groteske zum Thema Möglichkeit/ Unmöglichkeit

von  Citronella

Ein Blumenstrauß sei für mich am Empfang hinterlegt worden, sagte man mir. Ich staunte über den modern gestalteten riesigen Rezeptionstresen, der so gar nicht zu dieser muffigen Klinik passte, in der ich mich offenbar gerade befand. Die Blumen seien von Herrn Kirchner, erklärte mir eine freundliche Rezeptionistin. Ich kannte keinen Herrn Kirchner und überlegte, ob dies einer der älteren Herren sein könnte, mit denen ich am Vorabend ein längeres Gespräch geführt hatte.

Später erzählte mir eine nette Mitpatientin, sie komme aus Poppenbüttel. Dann müsse sie ja Elfriede kennen, meinte ich. „Ja, natürlich kenne ich Elfriede“, erwiderte sie belustigt.


Am nächsten Morgen dachte ich lange über diesen Traum nach. Nie im Leben hatte ich jemanden mit dem Namen Kirchner gekannt, auch zu Poppenbüttel oder einer Elfriede gab es keinerlei Verbindung. Also ein weiterer unsinniger Traum von vielen, die mir in letzter Zeit immer öfter den Tag verdarben.


Mein Arzttermin am späten Vormittag lenkte mich erst einmal ab. Im Wartezimmer döste ein alter Herr vor sich hin, ein junges Mädchen spielte am Smartphone herum. Ich warf einen kurzen Blick auf das Zeitschriftenangebot und zuckte zusammen, als die Sprechstundenhilfe „Herr Kirchner bitte“ rief. Der alte Mann erhob sich mühsam. Als nächste Patientin wurde „Elfriede bitte!“ aufgerufen; der Blick des Mädchens haftete noch beim Aufstehen auf dem Display.


Den Ausführungen des Arztes konnte ich später nur sehr unkonzentriert folgen. Ich steckte den erhaltenen Prospekt samt Überweisung unbesehen ein. Völlig durcheinander und mit leichten Schwindelgefühlen verließ ich die Praxis um kurz vor zwölf und grübelte unterwegs über das Erlebte.


Schon von weitem erblickte ich den großen Blumenstrauß vor meiner Haustür. Vergeblich suchte ich nach einem Absender. Erst beim Auswickeln entdeckte ich einen kleinen Aufkleber: „Blumenhaus Kirchner, Poppenbüttel“.


Vorgestern folgte ich dem Rat meines Arztes und begab mich auf unbestimmte Zeit in eine Klinik für psychosomatische Störungen. Die beeindruckend große Eingangshalle ist fast zur Hälfte von einem pompösen Empfangstresen ausgefüllt. Hier frage ich jetzt mehrmals täglich nach, ob Blumen für mich abgegeben wurden.


Die behandelnde Ärztin hat sich übrigens als Dr. Elfriede Kirchner vorgestellt. Ich glaube nicht, dass das ihr richtiger Name ist.



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Kommentare zu diesem Text


 Wastl (29.10.25, 19:16)
Und? Kommst jetzt auf den Geschmack ... mit Grotesken?

Na ja, bei dieser verrückten Welt empfinde ich, ist das dann auch so etwas wie eine (nicht selten auch angenehme) Verarbeitungsstrategie.

Liebe Grüße

Wastl aus Groteskanien

 Citronella meinte dazu am 29.10.25 um 19:20:
Ich gestehe: Dieses Stückerl ist auch schon gut drei Jahre alt - da war die Welt auch schon grotesk genug ...  :silly: :woot:

LG Citronella
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