Entartete Visionen der Realität
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Wenn der Mut fehlt und die Realität lacht
(Ein zynischer Blick auf die deutsche Altersgrenzen-Debatte):
Man könnte fast meinen, Deutschland habe eine geheime Leidenschaft für absurde Widersprüche. Anders lässt sich kaum erklären, wie man gleichzeitig darüber nachdenken kann, die Strafmündigkeit auf 12 Jahre zu senken, während man Jugendlichen am liebsten den Zugang zu sozialen Medien erst ab 16 erlauben möchte. Zwölfjährige sollen also strafrechtlich haften, aber bitte nicht auf TikTok sein. Das ist keine Politik — das ist Kabarett.
Natürlich wird das alles mit dem Satz begründet: „Kinder sind heute früher erwachsen.“ Ein Satz, der so oft wiederholt wird, dass man fast vergisst, wie lächerlich er ist. Kinder sind nicht früher erwachsen. Sie werden nur früher mit einer Welt allein gelassen. Ein Welt, die Erwachsene selbst nicht begreifen. Aber klar — wenn man keine Antworten hat, erklärt man die Kinder einfach zu kleinen Erwachsenen. Problem gelöst!
Der wahre Witz an der Sache ist die Inkonsequenz. Deutschland erwartet digitale Kompetenz, ohne sie zu vermitteln. Verlangt Medienmündigkeit, ohne sie zu lehren. Es schiebt die Verantwortung auf Eltern, die weder Zeit noch Expertise haben. Aber Hauptsache, man kann später sagen: „Die Eltern hätten halt besser aufpassen müssen.“ Verantwortung abgewälzt. Gewissen beruhigt. Weiter im Text
Die Politik? Sie verhält sich wie jemand, der ein sinkendes Schiff mit Pflastern flicken will. Altersgrenze hier, Verbot dort, ein bisschen Empörung dazwischen — fertig die Illusion von Handlungsfähigkeit. Mut wäre, ein echtes Konzept. Mut wäre, verpflichtende digitale Bildung. Mut wäre, Verantwortung zu übernehmen. Aber Mut ist teuer. Pflaster sind billiger
Man diskutiert lieber über symbolische Grenzen, die niemanden schützen und nichts lösen. Man klebt Zahlen auf Probleme, die man nicht versteht. Man tut so, als ließe sich die digitale Welt mit einem „ab 16“-Sticker bändigen. Das ist nicht nur naiv — das ist der reale Wahnsinn.
Der Zynismus entsteht nicht aus Bosheit, sondern aus Beobachtung. Aus dem ständigen Hin und Her, dem politischen Lammschritt, der Angst vor klaren Entscheidungen. Aus einer Gesellschaft, die digitale Realität fordert, aber digitale Bildung verweigert. Aus einer Politik, die lieber reagiert als gestaltet.
Der eigentliche Skandal ist nicht die digitale Welt.
Der eigentliche Skandal ist, wie mutlos wir ihr begegnen ...