Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Montag, 27. März 2017, 21:42
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Lukullische Auswürfe

Wir haben in Deutschland viele Unsitten. Socken in Sandalen zum Beispiel. Aber wenn sich der verzweifelt kreative Deutsche in kulinarische Gefilde vorwagt, ist mehr, als nur ein starker Magen von Nöten. Prinzipiell würde nichts gegen individuelle Noten an Speisen sprechen. Jemand mag kein Zimt, dafür aber Kurkuma: Bitte schön, gerne! Doch damit ist es leider nicht getan. Denn es gibt diese unsägliche Neigung, bereits wohlmundende Gerichte und exquisite Rezepte zu verschlimmbessern. Bereits die Tatsache, dass es im Deutschen ein eigenes Wort dafür gibt, sollte zu denken geben!

Ich meine, wie verdammt noch mal kommt man auf die hirnverbrannte Idee, aus so etwas perfektem wie der Pesto-Sauce, eine gastronomische Untat zu fabrizieren: Bärlauch-Pesto! Allein das Abtippen des Wortes bereitet mir Sodbrennen. Ernsthaft: Welchem vollkommen hängengebliebenen Hippieveganer, kam der Gedanke, man könne ja auch aus einem nach Zwiebeln stickendem Unkraut „Pesto“ zusammenmanschen? Die Blattern über ihn und seinesgleichen!

Weiter geht mein persönliches Essensinferno mit einem „Nachtisch“, das bedauerlicherweise hierzulande nicht nur beliebt ist, sondern wohl auch „erfunden“ wurde: „Erdbeer-Tiramisu“. Wo soll ich anfangen? Was kann oder soll man bei einem traditionellen Tiramisu denn bitte ändern, geschweige denn verbessern!? Zumal Erdbeeren überhaupt nicht mit den eigentlichen Zutaten harmonisieren. Daraus schließe ich, dass mindestens 50% der Rezeptur geändert werden muss. Dann nennt es auch nicht Tiramisu, ihr bescheuerten Möchtegernkonditoren!

Ihr merkt schon, mir schlägt das Thema auf den Magen. Kurz kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht zu hart urteile. Schließlich gibt es in anderen Ländern ebenfalls Vergewaltigungen von eigentlich lukullischen Gaumenfreuden. In Schottland z.B. frittieren sie alles! Und ich meine alles! In der Schweiz klatscht man Crème fraîche oder Mascarpone auf die Pizza und weil das ja noch nicht reicht, musste ich mich in Griechenland schon sehr zurückhalten, um nicht das Speisekartenfensterchen neben dem Eingang vollzukotzen. Denn das Restaurant bot tatsächlich eine Nutellapizza an! Und wer jetzt denkt, na gut, es war wahrscheinlich Crêpe gemeint… nein. Es gab ein Foto dazu. Teig, Tomatensauce, Käse, Nutella. Ein Freund erzählte mir, er habe auch schon eine Schokoladencalzone gesehen. Wo, habe ich zu meinem Pech und des Gastronomen Glück vergessen.

Und warum der Kunde nicht immer König sein sollte: Die ganze Belegschaft einer Pizzeria, sowie meine Wenigkeit, waren schon kurz vor dem Axtmord, als wir mit ansehen mussten, wie ein Pärchen zu ihren Pizzen eine Flasche Ketchup mitbestellte und diese vollständig auf ihren Mafiatorten entleerte! Ich hätte die Flasche erst gar nicht gebracht, aber damit rechnet man auch nicht. Die beiden haben sich jedenfalls wahrlich verdient! Möge der Diabetes ihnen die Beine nehmen! Geschmacksknospen dürften sie ohnehin keine (mehr) haben.

Wo wir gerade beim Thema Geschmack sind, liebe Restaurantbetreiber. Warum in aller Welt, lasst ihr euch auf das Niveau eurer Kundschaft herab? Was in Deutschland allenthalben als Pizza, Kebab oder Pekingente tituliert wird, grenzt schon an kulinarischem Landesverrat. Klar, der Gast kauft die Pizza auch, wenn sie aus Fertigteig und Analog-Emmentaler besteht - was an sich schon traurig ist - aber muss man das deshalb auch gleich „backen“? In italienischen Touristenorten bieten Pizzerien mittlerweile auch Würstchen- und Westernpizza (mit u.a. mit Maiskölbchen und roten Bohnen) an. Und warum? Abgesehen von akuten Anfällen geistiger Umnachtung. Weil Besucher aus nördlicher gelegenen Ländern, mit ihren bei Domino’s oder Pizza Hut verseuchten Gaumenzäpfchen, nach diesem zusammengewürfelten Müll verlangen! Die Speisekarte von Freddy Fresh Pizza gehört in den 7. Kreis der Hölle!

Und da hätte sie gute Gesellschaft. Wenn ich herausfinde, wer bei Dr. Oetker, nach vermutlich 15 Schnaps und 2 Kokslines, auf die unglaublich geniale Idee kam, eine Schokoladen Tiefkühlpizza auf den Markt zu bringen, der ist so gut wie gevierteilt! Was soll das? Als ob in den Tiefkühlregalen im Supermarkt nicht schon genug widerliches Zeug vor sich hin gammelt. Warum muss man sich denn verdammt noch mal ständig an Pizza vergehen? Nehmt doch mal zur Abwechslung einen Sauerbraten für eure Experimente in Dr. Frankensteins Küche!

Wer das jetzt zu hart, etwas monothematisch oder unreflektiert fand: Meine Kolumne, mein Geschmack, meine Todesliste. Sorry, Dönerpizza-Liebhaber.

Guten Appetit!

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 sandfarben (29.03.17)
Endlich mal jemand, der Klartext spricht! Dein Wort in das Ohr der Gastronomie.
lg christa

 Melodia (29.03.17)
Hehe danke

 Lluviagata (29.03.17)
Es lebe die Deutsche Hausmannskost.
Graeculus (69)
(29.03.17)
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Scrag (35)
(29.03.17)
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 Melodia (29.03.17)
@Graeculus: Das mit dem "überschätzt" würde ich absolut nicht zustimmen. Auch, weil Pizza mein Leibgericht ist und schließlich ist Pizza ein Nationalgericht. Aber es gibt in Italien eine Unterscheidung zwischen Pizzeria und Ristorante; was dennoch nicht zwingend heißt, man würde in einem Pizzeria nur Pizza bekommen und in einem Ristorante ganz sicher keine; egal ob Touristenort oder nicht. Kann aber auch mit daran liegen, dass eine echte Pizza ein Steinofen braucht und nicht jede Gastronomie über einen solchen verfügt.

@Scrag: Bentornato! Willkommen zurück! Also, ob das das Schlimme an der Sache ist, darüber werden wir wohl streiten. Aber mit Sicherheit stimmt der Rest. Möchte gar nicht erst wissen, was die da reinklatschen. Pizzaburger... warum erzählst du mir das... jetzt muss ich noch eine schreiben!^^ Und danke!
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