andi(e)stirnschlag
Kleinlichkeiten
Eine archivierte Kolumne von AndreasG
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Von der Trägheit der Rouladen
Zwischen den Tagen wird die Zeit genannt, in der die Erkenntnis durchsickert, dass in den letzten Wochen zu viel gegessen wurde, die logische Konsequenz (sprich: Abnehmen) aber noch verschoben wird. Eignet sich auch gut als Vorsatz für’s nächste Jahr.
Überhaupt darf in diesen mystisch verklärten Tagen zwar gedacht, nicht aber umgesetzt werden. Das ist ein ehernes Gesetz.
So trichterte mir meine Mutter schon als Kind ein, dass ein Verwandter sterben würde, wenn ich das Sakrileg beginge, Wäsche zu waschen und zum Trocknen aufzuhängen. (Funktioniert übrigens nicht; die dösigen Verwandten sterben auch, wenn ich den Wäschekorb in Ruhe lasse – oder bleiben munter, wenn ich fleißig wasche.)
Reste sollten natürlich auch nicht ins neue Jahre gelangen. Und da Lebensmittel nicht weggeworfen gehören (= Sünde), sich aber der Weihnachtssüßkram stapelt ...
Bei mir kommt hinzu, dass dieses ganze Essengehen und Essenvorgesetztbekommen den starken Drang auslöst, selber zu kochen. So wollte ich gestern unbedingt Rouladen machen (war schon ewig her ...) und für heute etwas vorbereiten, da ich unterwegs sein werde. Immerhin haben wir einen Gast – und Gäste bekoche ich besonders gerne.
Aber Brigitte legte mir einen Stein in den Weg:
„Wir wollen heute noch ‘was unternehmen ...“
„Keine Lust.“
„Du kannst Bewegung gebrauchen!“
„Ich wollte heute kochen.“
„Du bist viel zu träge. Kein Wunder, dass Du immer so schnell erschöpft bist.“
„Bin ich doch gar nicht.“
„Wir gehen jetzt eine Runde durch den Rombergpark. Los.“
Wer bin ich, dass ich meiner Frau widerspreche?
Eine gute Stunde stapften wir durch den Schnee. Dazu dann die Hin- und Rückfahrt, dann das Einkaufen ... Erstes Maulen von Brigitte, meine Schwägerin war schon ganz still.
„Aber wir brauchen noch Gürkchen für die Rouladen ...“
„Du hast genügend Gurken zu Hause.“
„Aber nicht die Richtigen.“
„Egal, Gurke ist Gurke.“
Als ich dann noch kurz in den Getränkeladen sprang, blieben die beiden Damen im Auto sitzen. Auf dem Heimweg wurde dann wenig gesprochen und Zuhause musste ich mich sputen.
Sechs Rouladen füllen, rollen und anbraten. Die Füllung für die Putenröllchen (das Essen für heute) zubereiten und auch die Röllchen in die Pfanne ... Derweil saßen die beiden Frauen friedlich auf dem Sofa und schlummerten. – Mensch, kam ich mir träge vor.
„Die Gurken merkt man doch gar nicht. Hättest auch die Anderen nehmen können ...“
Im Geiste grinsten mich Honiggurken und dänischer Gurkensalat an, im Magen forderten drei Rinderrouladen ein Stündchen Schlaf. – Stimmt also, zwischen den Tagen bin ich manchmal sehr erschöpft.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Vermutlich hast aber auch du nicht die komplette Information bekommen, wahrscheinlich muß für eine sichere Anwendung auf die Art der Wäsche oder die Reihenfolge beim Aufhängen geachtet werden. Denkbar wäre auch, dass ein Wäschestück der Zielperson mit in der Wäsche sein muß und vielleicht auch noch auf spezielle Art zum Trocknen gebracht werden sollte. Auch Hokuspokus braucht Präzession. Und weil ich gerade dabei bin, die fragliche Zeit für wäschegesteuertes Verwandtenableben heißt "zwischen den Jahren"

(29.12.05)
Endlich kann mir keiner Faulheit vorwerfen, wenn sich die Wäsche in Bergen türmt. hihi --- Sehr schön geschrieben das Ganze! Und kommt gut ins Neue Jahr, Ihr Lieben!!!
Viola