KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Erste Gedichte
Diese kleine Auswahl von Gedichten zeigt, dass ich kein Lyriker werden konnte. Die Qualität weist - auch gemessen am Alter des Autors - auf kein besonderes Talent hin.
Für meine Mutti 1952 am 24. Dez.
Weihnachten.
Liebe Eltern!
Nun leuchten wieder die Weihnachtskerzen
und wecken Freude in allen Herzen.
Ihr lieben Eltern, in diesen Tagen
was wollen wir singen, was wollen wir sagen?
Wir wollen Euch wünschen zum Weihnachtsfeste,
vom Schönen das Schönste, vom Guten das Beste.
Wir wollen Euch danken alle Gaben
und wollen Euch immer noch lieber haben.
Ulrich B.
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Das Fischen
Dunkles Wasser, stiller Ort,
Schwalben ziehen fort und fort;
Schwäne ziehn als Silhouette
lang und ruhig in der Kette.
Heiß aufs Wasser brennt die Sonne:
hier ist Fischen reinste Wonne!
Weit heraus mit meiner Angel,
denn an Fischen hats nicht Mangel.
Ach - nun ist er weg, wie schade,
denn die Angel faßte grade
einen dieser wundervollen
Fische, die nicht zu mir wollen.
Fische, die nicht zu mir wollen,
sind auch keine wundervollen.
Pech hab ich mit diesen Fischen,
denn ich kann sie nie erwischen.
Weit heraus mit meiner Angel,
denn an Fischen hats nicht Mangel!
Wieder nichts an meiner Schnur –
hier gibts scheinbar Wasser nur.
Mich die Ungeduld jetzt plagt,
doch ich bin noch nicht verzagt.
Weit heraus mit meiner Angel,
denn an Fischen hats nicht Mangel!
Endlich - nach zwei vollen Stunden
habn die Fische mich gefunden.
Viele sind es jetzt geworden,
nun ist Schluß mit diesem Morden.
Zwar ists aus mit meinem Spiel,
doch zu essen gibts noch viel!
1958
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Die Perltaucher
Unten auf dem Meeresgrunde
ruht so manche Perle dort
und zu dieser stillen Stunde
suchen Fischer nach dem Ort.
Jeder will der Finder
von vielen Perlen sein
und deshalb muß man minder
das tiefe Wasser scheun.
Ist nun der Fund gelungen,
so ist die Freude groß.
Das Meer hat auch gerungen –
nun ists die Perlen los.
1959
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Micky
Und schließlich sah ich die Micky-Maus!
Aber der Onkel hatte wohl recht,
als er sagte:
„Die ist nicht schlecht!“
Meine Freundin heißt doch Micky –
wenn ich (ich heiße Dicky),
wenn ich es wagte,
sie einmal zu küssen
(der Onkel brauchte es aber nicht zu wissen),
flüsterte ich nur: / „Micky-Maus!“ / Aus.
Und die Uhr
stand auf halb zehn!
Geht doch plötzlich die Tür auf,
denn der Onkel kam herauf!
„Nun musst du aber das Licht ausdrehn!“
sagte er, und er hatte wohl recht,
als er es sagte,
und ich wagte,
meine kleine Puppe,
denn nun ist sie mir völlig schnuppe,
nie mehr zu küssen;
nun konnte der Onkel nichts mehr wissen.
Und meine kleine Micky,
ach so: Ich nenne mich nicht mehr Dicky,
denn ich werde zahn
und darf nun um zehn das licht ausdrehn,
schenkte ich meinem großen Bruder;
doch dieses Luder
sagte, er habe eine andere Micky-Maus. / Aus.
1963
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Gewinn
Deine warme Haut voll Blut
goss sich
in meine denkende Hand
tanzte sie müd
Ich schmolz in die Schenkel
bis Blut mit Blut sprach
Tanz mit Tanz spielte
Haut mit Haut lachte
Ich habe
den Verstand verloren
1968
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Überdehnte Meridiane
Überdehnte Planeten
Talmizeiten
Metamorphosen von Remember
Ich will aus tausend Blütenkronen
Juli trinken
im Geigenkasten wohnen
ohne das Blut der blauen und roten Kriege
der roten und blauen Siege
Zu mir herüber weint
ein Lied aus leicht schaukelnden
im Sonnenmondtau gaukelnden
traumverdurstenden Wiegen
den Mund hexagonal aufgerissen
Die Welt ist toll
die ganze Erde in d-moll
das Leben ist beschissen
1969
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Supermarkt
Sonnengeschmolzener Buttergletscher
aufgetürmte in archimedischen Kuben schweigende
Joghurtflocken
Im silberpapiernen Tetraeder badender Sahneschaum
michweißes Amen aus einer Liturgie für Kühe
stinkendes Käse-Credo – tiefgekühlt
Eine Schicht Curry
eine Lage Schokoladenpuddding
Kalorien für einen Tag
Nikotin in den Lungenflügeln
die Rippen zum Gebet gefaltet
Ermunterung des Leber-Nieren-Systems
Das Gehirn bereit
syntaktische Akustiken zu schlucken
die letzte Kalorie
1970
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deine erde
du bist meine sonne
und ich deine erde
ich bringe und werde
dir schmerz und wonne
ich bin dein mond
und du meine erde
du bist die gebärde
die in mir wohnt
es strahlt ein stern –
über uns beiden
sind unsere leiden
gleich ihm so fern
lass mich die sonne sein
mein kleiner trabant
ich wärme dein land
mit glühendem schein
ich bin dein flutend meer –
meine süße küste
meine wellenlüste
umspülen dich so sehr
mein regenbogenlicht
du stehst über mir
ich wohne unter dir
bis dein farbenkreis bricht
ich lebe und werde
dir schmerz und wonne
du bist meine sonne
und ich deine erde
1973
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mühlengesang
und die gewitterwinde
sie tragen den donner
wie sie rauschen
wie sie mit lauter woge
den wald durchströmen
und nun schweigen sie
langsam wandelt
die schwarze wolke
und der geschmetterte
wald dampft
mühlenfragmente
mit bewimperten segeln
fahren erinnrung vorbei
langsam doch angetrieben
auch jetzt vom tausendarm
da stehen wir
der odem der natur um uns
der alleserheiternde
seelenvolle
windgeheilt
denn nun wachsen der erde
die großen flügel
und allen träumen neues
schwebendes gefieder
windmonat november
und alle herzen werden
zu gärten
und blühen wieder
weh uns
lächelnder sturm
weht bäume des lebens
ins harfengetön
rausche mit ihnen
neuen räumen jung entgegen
kristallner strom
reibende raunende
harfenwinde
ihr tönt nie es ganz
ihr segelt umsonst
vor euch unendlichkeit
in singenden hainen der erde
kraft die unendliche
spielt
mit den sinnenvollen augen
und immer weht der wind
und immer wieder geht da
der sturm der umgestalter
durch die zeit
summt harfengleich
in den drähten der allee
die kohlenwälder rohren
melodischwechselnd
und in den abendlärm
der städte
fällt es weit
sehr leise rührt
des abends blauer flügel
ein dach von dürrem stroh
die schwarze erde
atmet wieder
und leise tönen im rohr
die dunklen flöten
des herbstes
runenrhythmen
mühlengesang
[Eine Collage:
1-10 Friedrich Gottlieb Klopstock, Die Frühlingsfeier
12-15 Paul Celan, Hafen
17-19 Friedrich Hölderlin, Ermunterung
20 Paul Celan, Hafen
21-24, 26-28 Max Dauthendey, Die Amseln haben Sonne getrunken
30 Alfred Mombert, Musik der Welt
31-33, 35, 38 Friedrich Gottlieb Klopstock, Dem Unendlichen
34 Hermann Hesse, Stufen
39-40 Friedrich von Schiller, Die Größe der Welt
41-42 Friedrich Hölderlin, Ermunterung
44 Novalis, Hymne an die Nacht
45 Hugo von Hofmannsthal, Ballade des äußeren Lebens
47-48 Rainer Maria Rilke, Der Schauende
49-50 Hans Carossa, Heimweg
51 Gerrit Engelke, Tod im Schacht
52 Hölderlin, Der Frieden
53-55 Georg Heym, Der Krieg
56-59 Georg Trakl, Der Herbst des Einsamen
61-63 Georg Trakl, Grodek
64 Edgar Allen Poe, Die Glocken]
1973
Ich habe solche Verse immer nur für mich selbst geschrieben. Dann studierte ich Germanistik und Geschichte und wurde Deutsch- und Geschichtslehrer.
Als ich 40 Jahre alt war und meinen Beruf so beherrschte, dass ich mehr Zeit hatte, begann ich ernsthaft zu schreiben und versuchte neue Gedichte. Es dauerte noch einige Jahre, bis ich erkannte, dass meine Stärke nicht in der Lyrik, sondern in der erzählenden Prosa liegt.