KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Freitag, 19. November 2010, 00:10
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SIND TRÄUME SCHÄUME? (von loslosch)

224. Kolumne / 9. Gastkolumne (von loslosch)


Somnia fallaci ludunt temeraria nocte (Tibull, ~55 v. Chr. bis ~18 v. Chr.; Elegiae [nach Lygdamus, einem Nachahmer Tibulls]). In trügerischer Nacht treiben verwegene Träume ihr Spiel. Oder: Träume sind Schäume.

Die Auffassung, dass Träume nur Schäume sind, wurde in der Antike lediglich von einer Minderheit vertreten. Das alte Griechenland ist voll von Geschichten über professionelle Traumdeuter am Hofe der Mächtigen. Berüchtigt ist folgender Traum eines Dieners: Ihm träumte, er habe eigenhändig seinen Herrn und Herrscher ermordet. Am folgenden Morgen berichtete er von seinen düsteren Erlebnissen. Ein folgenschwerer Fehler. Der König beriet sich mit seinen Getreuen und kam zu dem Schluss: Wer solches träumt, ist auch fähig, solches in die Tat umzusetzen. Eine Art Wunschtraum also. Der Diener wurde geköpft.

Das war der Inhalt einer Abiturklausur anno 1961. Die antike Quelle konnte ich nicht mehr aufklären, sie muss aber authentisch sein; denn die Tragödie kannte ich damals bereits aus der deutschen Literatur. Als Einziger der Abiturklasse! So war ich in der Lage, den griechischen Text schlüssig zu übersetzen, ebenfalls als Einziger! Die Vorschlagsnote zum Abi war: Ausreichend. Klausurnote: Sehr gut.

Nachtrag zur wissenschaftlichen Traumdeutung: Sigmund Freund versuchte sich an einer analytischen Methode. Die heutige Forschung ist weit überwiegend der Überzeugung, dass man Träume nicht für therapeutische Absichten ausdeuten kann. Wer sich morgens an seine frischen Träume noch erinnern kann, der weiß lediglich, dass ihn die Thematik der Traumgebilde prinzipiell (unbewusst) beschäftigt, seine Träume sind jedoch jeglicher Eigenregie entzogen. Als einzige gesicherte Erkenntnis bleibt übrig: Der Traum ist der Behüter und Beschützer des Schlafs. Zwei Beispiele: Der Schlafende hat Atembeschwerden. Er träumt vom Ertrinken u. ä. Der Traum fordert ihn auf, den Schlaf fortzusetzen. Oder: Störende Außengeräusche werden durch adäquate Traumbilder in Verbindung mit erträumtem Glockenläuten, Autorennen usw. abgewehrt.

Träume sind also nicht immer Schäume. Wenn die Umgebung traumgläubig ist, sollte man sein Traumerlebnis für sich behalten. Und sie beschützen den Schlaf, so gut sie es können, seien sie nun süße oder unangenehme Träume.


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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Lala (19.11.10)
Hallo loslosch,

ich erinnere mich, dass Uli Bergmann einen seltsamen Traum eines Lehrers hier als Kolumne kürzlich postete. Ja, daran kann ich mich noch erinnern. Aber an einen meiner Träume aus der letzten Woche? Erinnere ich mich nicht. Das eine bedauere ich, das andere nicht. Was ich aber zu wissen glaube, ist, dass die Träume an die wir uns erinnern können, die sind, die wir unmittelbar vor dem Erwachen hatten. D.h. der lange Traum aus der letzten Nacht, von dem Du glaubtest, dass er Dich, wie der Wind eine Nussschale auf dem Ozean, die ganze Nacht duchgeschüttelt hat, war nur ein billiger Quickie. Ein Quickie, gespeist aus den letzten zwei, drei, fünf Minuten vor dem morgendlichen Erwachen. Aber erstaunlich wie lang der wirken kann, oder? Vergiss 3D Technik, wir müssen die Beamer-Proteinmoleküle finden, die einen Krieg und Frieden auf einer Mega Leinwand in nuce bieten können - wie ein Universum in einer Nußschale.

Gruß

Lala

PS: Deine Leistungen beim Nachkriegsabi lassen für mich nur einen Schluss zu: Du warst gedopt. Geht nicht anders. Du hattest solche Vitaminspritzen wie die Weltmeisterelf von 54 oder das Fleisch von Contador, oder? Normal ist das jedenfalls nicht, mit einer Vier als Vornote zur Eins zu stürmen. Das geht nur im Traum.

 loslosch (19.11.10)
Normal ist das nicht, ja. Der Pauker war ein verkappter Nazi, aber gerecht. Und wir mochten einander nicht! Der hätte es nie übers Herz gebracht, mir mitzuteilen, dass ich als Vierer die beste Klausur (von 26) geschrieben hatte. Sein Trick vor der Klasse: "Alle haben homilia mit Verkehr, Verkehr, Verkehr übersetzt. Ich kanns nicht mehr hören. Einer übersetzte mit ´Kontakt´. Der hat die beste Arbeit ... " Naja, mein Auftritt mit gelangweiltem Fernblick. Erst in der Pause, als der Nazipauker weit weg war, hab ich mich geoutet. Nix mit Träumerei also. Auf einem Ehemaligen-Treffen vor 3 Jahren konnte sich kein Schwein an die Szene erinnern. Mein Trost: auch keiner an den Inhalt der Klausur. Wie soll man sich ans Nebelstochern nach 45 Jahren erinnern? :)

Ich vergesse nie, dass ich die Übersetzung zunächst aufs Blatt schmierte, hinstammelte. Dann kam die Stelle mit dem Diener-Traum, die ich mit Mühe raffte. Dann strich ich alles durch und warf eine Vitaminbombe ein, diesen Feinzucker, äh, den es heute noch zu kaufen gibt.

Übrigens kann ich mich an einen Traum schemenhaft erinnern, den ich vorgestern (!) hatte. Vllt. eine Besonderheit. Man kann seine Träume morgens sofort und ausladend aufzeichnen. Bin ich denn blöd? Lo

 loslosch (20.11.10)
Ach ja: Dextropur Energen. So lange gibts das schon.

 Bergmann (20.11.10)
Ich habe mal ein Gedicht im Schlaf (Traum) gelernt und konnte es am Morgen in der Schule aufsagen.
(Optische und/oder akustische Speicherung vor dem Schlafen?)

 loslosch (20.11.10)
Als Schüler (hoffe ich). Mein Kollege berichtete mir, er habe zu großen Teilen die Probleme der Dissertation im Schlaf (wörtlich) gelöst. Ich glaub ihm das. Man nimmt ja ein ungelöstes Problem mit in die Nacht. Meine besten Ideen kommen meist bei der Morgenwäsche. Der Kopf kriegt eine Kühlung und erinnert sich ... Lo

 loslosch (25.11.10)
ICH aber war nie Lehrer. Jeder träumt auf seine Weise. Pass auf, sonst schickt Dir wer einen Traumdeuter auf den Hals. Ich habe übrigens dreimal Abi gemacht, einmal selbst und zweimal (stellvertretend für die Söhne) Alpträume darüber gehabt. Schlimmste Träume! Gott sei dank ist nichts zurückgeblieben blieben blieben ... Lo

 loslosch (25.11.10)
Vllt. wars eine freudige Fehlleistung. Formulierung von Uli, mir vorher unbekannt. Lo
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