Andrej Kurkow:

Graue Bienen

Eine Rezension von  Quoth
veröffentlicht am 03.07.22

Ein Roman über den imkernden Sergej, der im Donbass in der „Grauen Zone“ zwischen ukrainischen Kämpfern und Separatisten mit seinen sechs Bienenvölkern lebt und sich an die über ihn hinwegfliegenden Geschosse schon so gewöhnt hat, dass er sie gar nicht mehr beachtet. Zu einem im Schnee liegenden Toten kriecht er hin und häuft Schnee über ihn, findet in seinem Rucksack viel Zuckerzeug für Kinder. Als er später von Kindern hört, dass der Weihnachtsmann dies Jahr ausgeblieben sei, erkennt er, dass der Tote wohl auf dem Weg zu den Kindern erschossen wurde. Sergej wohnt in der Leninstraße, sein Schulfeind Paschka in der Schewtschenko-Straße. Eines Nachts tauscht Sergej die Straßenschilder aus, und nun wohnt er in der Schewtschenko-Straße, Paschka in der Leninstraße, weil das passender ist – und Paschka findet das auch. „Die Furcht war ein unsichtbares, schwer zu fassendes Ding. Wie ein Virus oder eine Bakterie. Man konnte sie mit der Luft einatmen, zufällig mit Wasser oder mit Wodka verschlucken oder durch die Ohren einfangen, auf jeden Fall konnte man sie mit den Augen sehen, und das so eindrücklich, dass ihr Spiegelbild sogar dann noch blieb, wenn die Furcht selbst schon verschwunden war.“ Sergej sucht die bereits von Russland annektierte Krim auf, aber der tatarische Imkerfreund, den er besuchen will, ist verschleppt und verschwunden, und bei der Ladnerin Galja will er auch nicht bleiben: „Ja, sie ist eine gute Frau, dachte er. Sie kocht großartig. Und es ist nicht gerecht, dass sie allein in diesem Haus leben soll. Ohne Mann, also sinnlos! Aber sie ist schon sehr einfach. Auch ihr Name ist einfach – Galja. Und das Leben mit ihr wäre wohl auch zu einfach.“ So kehrt er in sein Dorf in der „Grauen Zone“ zu seinem Schulfeind Paschka zurück, mit dem er sich inzwischen angefreundet hat, weiter wird über ihn hinweggeschossen, aber wenn es ihm schlechtgeht, legt er sich auf seine Bienenvölker schlafen  – ihr Summen tut ihm gut und heilt ihn.

Dieser Alltagsroman aus Kriegsgebiet ist die originelle Verbindung eines ausgefeilten Plots mit einfachster Sprache. Kurkow ist ein erfahrener Drehbuchautor, der weiß, wie man Spannung erzeugt. Ein liebenswürdiger Roman, von dem nicht loskommt, wer sich auf ihn einlässt, ausgezeichnet übersetzt von Johanna Marx und Sabine Grebing – man könnte meinen, er sei auf Deutsch und nicht auf Russisch geschrieben worden.
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