Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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David Beckham
von Dieter_Rotmund
Kürzlich fragte mich jemand, wen ich denn für einen Ritter unserer Zeit hielte. Spontan, ohne nachzudenken, sagte ich „David Beckham“. Warum gab ich diese Antwort?
Die Ritter hatte ihre beste Zeit, um es mal etwas salopp zu formulieren, während des Mittelalters.
Das Bild des Mittelalters in unseren Köpfen ist heute ein stark romantisiertes. Man mag inzwischen den alten Zusatz „Dunkles“ fast nicht mehr verwenden, steht dieses Zeitalter doch für eine gewisse klare gesellschaftliche Ordnung (oben Adel, unten Bauern), determinierte Lebensläufe (wenn Vater Schmied, dann Sohn ebenfalls Schmied) und eine landwirtschaftlich geprägte Landschaft ohne Gentechnik und Massentierhaltung. Bestenfalls Pest und Inquisition fallen einem als negative Klischees des Mittelalters noch ein. Über Aspekte dieser Ära ungezwungen zu plaudern, ist heute fast unmöglich geworden: Jeder Nerd, der mal in eine Art Mittelalter angesiedeltes Computergame gespielt hat, jeder Geek, der Cross' „Die Päpstin“ oder Gordons „Der Medicus“ oder Bradleys „Die Nebel von Avalon“ gelesen hat (die Liste lässt sich beliebig verlängern), hält sich für einen Mittelalter-Experten. Dazu kommen noch Horden von Zwölfjährigen, die nach einer ähnlichen, nur leicht infantileren Qualifikation, ebenfalls absolut alles über das Mittelalter zu wissen glauben (und ungefragt und unvermittelt beginnen, darüber zu dozieren). Nun, manche von diesen Klugscheißern wissen auch, dass der Ritter nicht ewig der Edelmann in schimmernder Rüstung war, sondern mit zunehmender militärischer Bedeutungslosigkeit einem halbkriminelles Milieu beitrat und das Präfix „Raub-“ erhielt.
Kriminell zu sein, das ginge zu weit, das möchte ich Herrn Beckham nicht unterstellen. (Auch wenn Profifußballer-Gehälter kriminell überhöht erscheinen). Man könnte seine kaufmännischen Fähigkeiten loben, noch gelten solche Erfolge außerhalb der Banker- und Managercliquen nicht als kriminell. Immerhin hat(te) David Beckham ein echtes Produkt anzubieten, nämlich sich selbst.
Das hat er in den letzten Jahren äußerst geschickt „vermarktet“, wie man heutzutage derartige nicht-sexuelle Prostitution nennt. Zur Erinnerung: Beckham (geb. 1975) ist ein Fußballer, der für Geld kickt(e): Zuerst bei Tottenham Hotspur, später bei Real Madrid, und immerhin stehen fast 130 Nationalmannschafts-Einsätze auf seinem Konto. Nun beendet er diese Karriere beim Paris Saint-Germain Football Club. Glückwunsch! Andere haben ihr Geld wahllos verpulvert (Maurzio Gaudino) oder versoffen (Ulrich Borowka, Paul Gascoigne). Herr Beckham aber scheint in geordneten Verhältnissen zu leben, das ist für Personen, die derart im Fokus der Boulevard-Presse stehen, nicht selbstverständlich.
Die Darstellung von David Beckham in der Sportfotografie und vor allem auf zu Werbezwecken gemachten Bildern haben einen hohen Grad von ikonenhafter Heldendarstellung erreicht, die heute üblichen Ritterdarstellungen ähnelt. Habe ich deswegen an den britischen Kicker gedacht?
Nach einigem Nachdenken wird mir jedoch klar, warum mir bei dem Stichwort „Ritter“ die Person Beckham einfällt: Nämlich die Entourage bzw. der Hofstaat, der mit ihm von Arbeitgeber zu Arbeitgeber zieht. Dazu kommt, dass seine Ehefrau in ihrem früheren Leben Mitglied eines erfolgreichen Popmusik-Ensembles war. (Hier enden die Ähnlichkeiten mit dem Mittelalter. Musikanten standen in dieser Epoche auf einer der untersten sozialen Stufen, heute stehen sie auf einer der höchsten). Das macht(e) ihn für die sog. Yellow Press natürlich noch interessanter.
Man muss ehrlicherweise dieses Hofstaat-Gehabe nicht ganz Schuld von Herrn Beckham sein lassen. Es ist vielmehr niveaulosester Boulevard-Journalismus, der uns von jedem Pups, den Familie Beckham macht, berichtet, wohlwissend, dass Millionen Menschen nach dieser Art von „Information“ gieren.
Also: Wenn ich „Ritter von heute“ mit „David Beckham“ assoziiere, so muss auch ich zugeben, dass ich davon nicht unbeeinflusst geblieben bin.