Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Ein Kino schtirbt
von Dieter_Rotmund
Eine Zeitlang habe ich in einer großen Stadt im Rheinland gewohnt, dessen Bewohner sich für frohsinnig halten und deren Fußballmannschaften eigentlich alle chronisch abstiegsgefährdet waren und sind, von wenigen Ausnahmen zuweilen abgesehen. In dieser Zeit bin ich oft ins Kino gegangen, das Angebot war groß und vielfältig. Ebenfalls in diese mehrjährige Zeitspanne fielen einige Schließungen von Kinos, es haben währenddessen aber auch neue aufgemacht.
Zunächst von der ersten erlebten Schließung erschrocken, habe ich mich, als Cineast, der Kinoschließungen grundsätzlich für eine traurige Angelegenheit hält, daran gewöhnt. Weil andere Kinos ihre Pforten öffneten. Unterm Strich gab es in der Stadt bei meinem Wegzug weniger Kinos als meinem Hinzug, aber die Programmvielfalt hatte nicht darunter gelitten.
Nun wohne ich einer kleineren Stadt und erlebe etwas überraschend, dass ein Kino vermeldet, dass es kurzfristig zumachen wird. Auf der anderen Seite dann doch wieder weniger überraschend: Vor etwa zwei Jahren wollte ich einen längeren Reportageartikel über ein bestimmtes Angebot in diesem Kino schreiben. Aber trotz hartnäckigsten Anfragens, Mailschreibens und AB-Besprechens nahm der Geschäftsführer keinen Kontakt mit mir auf. Da ich diesen Auftrag problemlos zurückgeben konnte, dachte ich mir, "...dann halt nicht, wer nicht will, der hat schon" und gab den Auftrag zurück. Das Kino hatte also ein sehr wenig aktives Management. Privat war ich hier und da mal in diesem Kino, man konnte dort ganz passabel Mainstreamfilme gucken, ohne 10-Jährige, die das Gesehene ständig laut verbalisieren müssen, giggelnde 14jährige Mädchen oder irgendwelche Harry-Potter-Nerds mit Klugscheißerkommentaren. Nun, ja, so ist's gewesen.
Am Abend des 31. Juli 2018 war ich ein letztes Mal dort, quasi um einen persönlichen Abschied zu feiern. Eine "Classic Sneak" wollte und sollte ich sehen, also ein Überraschungsfilm, der schon älter, aber immer noch populär ist. Man zeigte auch ein paar alter Trailer aus der Enstehungszeit des Films. Darunter eine Werbung für Fame (USA 1980), der das eindeutige und bleierende Gefühl zurückließ, dass sich Inhalt und Machart des Tanzfilms seit 38 Jahren nicht geändert haben.
In voller Länge gezeigt wurde schließlich Blues Brothers (ebenfalls USA 1980). Eine Art Kombination aus Roadmovie-Dauerverfolgungsjagd und gefühlt mindestens ebenso vielen Musik- und Musicalszenen. Pluspunkt war, dass uns die Originalversion gezeigt wurde. Auch Zuschauer mit schlechten Englischkenntnissen wurden deswegen nicht enttäuscht: Die Handlung von Blues Brothers ist ja sattsam bekannt und nicht als komplex zu bezeichnen und der Film sowieso wenig dialoglastig.
Als Jugendlicher hat mir der Film recht viel Spaß gemacht. Reifer geworden mag mir der doch sehr schlichte Humor nicht mehr so recht gefallen. Etwas unangenehm stieß mir auf, dass alle Musiker (Blues-Musiker, um genauer zu sein) des Films offenbar zu einer Schicksalsgemeinschaft gehören sollten, die in Ausübung bzw. Ausführung der einzig wahren und echten Musik, nämlich des Blueses (ist das der Genetiv von Blues?), quasi deswegen geadelt sein würden, ergo bessere Menschen seien. Wegen des Blueses. Oder allermindestens alle ganz dufte Freunde sind, um mal in den Jugendjargon des Jahres 1980 zu verfallen.
Licht an. Vorhang, Ende. Schade ums Kino.
*Der Titel der Kolumne von dieser Woche ist eine Anspielung auf den Thomas-Bernhard-Erzählband Goethe schtirbt, posthum 2010 erschienen.