KeineGedanken

Was macht dir (keine) Gedanken?


Die Kolumne des Teams " keineGedanken"

Sonntag, 14. Juli 2019, 00:20
(bisher 264x aufgerufen)

Respect the Poet?

von  BLACKHEART


Wir schreiben den 20. Juli 2019.
Heute Abend findet das Saisonfinale der Kiezmeisterschaft in München statt. Der Highlander!
Die elf Monatssieger der vergangenen Saison treten noch einmal an, um den/die Jahressieger/in zu ermitteln, der/die dann einen Startplatz bei den deutschsprachigen Meisterschaften in Berlin bekommen wird.
Wer mir, bzw. meinem  Poetry Slam Alter Ego auf Facebook folgt, weiß, dass ich die  Kiezmeisterschaft im April gewonnen habe. Es war einer der größten Triumphe meiner bisherigen Karriere als Poetry Slamer.
Ich habe mir also heute Urlaub genommen. Ein Kollege legt für mich eine zusätzliche Nachtschicht ein. Obwohl ich weiß, dass ich keine Fahrtkosten bekomme, bin ich auf dem Weg nach München, um ein weiteres Mal Geschichte zu schreiben.

Der letzte Satz trifft leider nicht zu. Ich sollte in einem Flixbus oder ICE in Richtung München sitzen, aber stattdessen sitze ich vor meinem PC.
Anstatt Geschichte zu schreiben, schreibe ich diesen Text.
Warum? Lasst es die Veranstalter selbst erklären.

Zitat: „Hallo Richie, wir haben uns entschieden ausschließlich Starter*innen aus München und Umgebung zuzulassen, da wir den Startplatz für den National Slam in der Stadt halten und damit unsere Szene für ihre Unterstützung über die komplette Saison hinweg belohnen möchten.“

So weit, so gut. Und auch legitim. Ich kann die Argumentation und die Gründe absolut nachvollziehen. Ich möchte auch niemandem etwas wegnehmen und wünsche den Teilnehmenden alles Gute.
Es wäre allerdings schön gewesen, wenn man mich über dieses Vorgehen im Vorfeld informiert hätte. So habe ich es erst auf eigene Nachfrage erfahren.
Aber was wäre passiert, wenn ich nicht nachgefragt hätte? Was, wenn ich die Aussage
„Die Sieger*innen der elf Slams dieser Saison kämpfen um den heißbegehrten Startplatz bei den Deutschsprachigen Meisterschaften 2019“, wie sie in der FB-Veranstaltung zu lesen ist, wortwörtlich genommen hätte?
Was, wenn ich heute wirklich auf dem Weg nach München wäre, nur um es dann erst vor Ort zu erfahren?
Auch wenn es sich vielleicht so liest, aber ich bin nicht sauer. Ich bin nur enttäuscht.
Enttäuscht darüber, dass man es nicht für nötig hielt, mich (Und evtl. auch andere Monatssieger, die nicht aus der Münchener Szene stammen?) über die Vorgehensweise zu informieren. Das hätte man in einem Aufwasch mit den Infomails für die Teilnehmenden machen können.
Es ist einfach respektlos mir als Person und als Poet gegenüber.

Aber Respektlosigkeit ist ja innerhalb unserer Szene längst kein Einzelfall mehr.
In den vergangenen Monaten habe ich mehr und mehr den Eindruck bekommen, dass besonders einige, die schon länger dabei sind, die Bedeutung der Grundregel, die auf jedem Slam erwähnt wird, vergessen haben: „Respect the Poet!“

Ich merke es z.B. immer wieder in Backstagebereichen. Da sitzen Menschen, die gerade ihre ersten Schritte in der Szene machen und haben die Chance mit Menschen, die sie bewundern, wegen denen sie vielleicht sogar erst angefangen haben zu schreiben, auf der selben Bühne zu stehen.
Aber anstatt sich mit den “Newbies“ zu unterhalten, sich deren Performances anzuschauen und sich deren Texte anzuhören, um ihnen vielleicht notwendige Tipps geben zu können, stehen die Altvorderen lieber draußen und/oder bleiben unter ihresgleichen.
Sieht so die immer wieder geforderte Nachwuchsförderung aus?

Anderes Beispiel: Ich schreibe Slammaster/in X Monate im Voraus an und frage für einen bestimmten Termin in der Zukunft an. Speziell für diesen Termin, weil mein Schichtplan (ich arbeite im Dreischicht-Modus) nur diesen einen Termin zulässt. Begründe das auch in der Anfrage und nenne meine (wie ich finde moderaten) Fahrtkosten und gebe an, ob ich einen Schlafplatz benötige, oder nicht. Standard halt.
Ich weiß, dass Slammaster/innen auch nur Menschen sind und erwarte nicht sofort eine Antwort. Nach einer angemessenen Zeitspanne, frage ich dann noch einmal nach. Meist kommt dann auch eine Antwort. Mal eine Zusage, mal eine Absage. Alles okay. Ich weiß dann wenigstens, woran ich bin.
Aber manche geben einfach gar keine Antwort. Jetzt mal ganz ehrlich? Ist es zu viel verlangt, ein kurzes „Danke für deine Anfrage, aber wir sind leider schon voll.“ oder „Sorry, hab es jetzt erst gelesen. Hast du vielleicht an einem anderen Termin auch Zeit?“ zurück zu schicken?
Oder bin ich, als Slamer, der noch nie auf diesem Slam war und den man deshalb nicht auf dem Radar hat, weniger Wert?
Mir ist bewusst, dass man als Slammaster/in nicht den Überblick über die gesamte Szene haben kann. Das verlangt auch niemand. Trotzdem sollte man doch daran interessiert sein, neue Menschen auf der eigenen Bühne zu haben. Frisches Blut, wenn man so will. So etwas kann sehr belebend sein. Für Publikum und Slamer. Habe ich selbst schon oft genug auf Auswärtsslams erlebt.
Deshalb wäre es das mindeste, Anfragen von motivierten Menschen auch zu beantworten. Auch das ist Teil von „Respect the Poet!“

Was man sich allerdings sparen kann, sind Antworten wie diese (Zitat):
„Unser Budget ist ausschließlich für Leute eingeplant, die wir kennen, mögen & von denen wir textlich überzeugt sind, sorry.“
Not sorry! Solche Antworten sind die Krone der Respektlosigkeit.
Wer mich kennt weiß, dass ich selten sprachlos bin, aber das hatte mir wirklich kurz die Sprache verschlagen. Wenn ich die Person, von der diese Antwort stammt, nicht schon bei einem früheren Slam kennen gelernt hätte und daher wüsste, dass sie eine dieser arroganten Altvorderen ist, die ich bereits erwähnt hatte, wäre ich wahrscheinlich richtig wütend geworden.

Aber wie gesagt: Ich bin nicht sauer. Ich bin enttäuscht.
Enttäuscht davon, dass in dieser Szene nicht von allen das gelebt wird, was nach außen immer vorgegeben wird.
Enttäuscht davon, dass viele Slamer/innen immer noch nicht den Respekt bekommen, den sie verdienen.
Enttäuscht davon, dass ich anscheinend auch immer noch zu diesen Menschen gehöre.

Aber wer jetzt denkt, ich lasse mich davon unterkriegen, der kennt mich nicht.
Ihr werdet mich respektieren!
Und ich weiß, dass man Respekt nicht geschenkt bekommt.
Man muss ihn sich erarbeiten.
Man muss ihn sich verdienen.
Nichts anderes habe ich mein Leben lang getan.
Und nichts anderes werde ich auch in Zukunft machen.
Ich werde auch in der neuen Saison auf eure Bühnen kommen.
Ob nah, ob fern, ob (für mich) neu oder bekannt.
Ich will und werde mir den Respekt der Szene erarbeiten.
Nicht nur für mich. Für alle da draußen, die ungerechtfertigterweise respektlos behandelt werden.

Mir ist bewusst, dass sich mir mit diesem Text wahrscheinlich mehr Türen verschließen als öffnen werden. Aber das ist nebensächlich.
Ich sehe diesen Text genau so, wie ich jeden Auftritt von mir sehe:
Wenn ich auch nur eine Person (in diesem Fall hoffentlich einige) zum Nachdenken angeregt habe und sie das eigene Verhalten reflektiert und ändert, dann habe ich viel erreicht.

Und jetzt genießt eure Sommerpause.
Ich werde es auch tun.
Wenn die neue Saison kommt, werde ich Anfragen schreiben.
Und ich hoffe auf respektvolle Antworten.

In diesem Sinne:

Macht euch (keine) Gedanken!


euer BLACKHEART

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 TrekanBelluvitsh (20.07.19)
Die Kulturszene im Allgemeinen gibt nur ungern zu, dass Beziehungen alles sind. Kommt dann noch Begabung dazu, ist das ein netter Nebeneffekt. Maßgeblich ist das aber nicht. Darum würde ich das nicht "Respektlosigkeit" nennen. Es ist... na, darüber könnte man einen Text schreiben.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram