Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Dienstag, 10. September 2019, 11:48
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Fünf Filme, die mich bewegten

von  Dieter_Rotmund


Gastkolumne von  eiskimo

Zum ersten Mal in ein Kino durfte ich mit zehn Jahren. Da lebte ich in Frankreich, in einem bescheidenen Vorort von Paris. Das Kino hieß „Normandy“ und kostete 1,50 Francs Eintritt – für 4,50 Francs hätte ich mir ein Dinky Toys-Auto für meine Modellsammlung kaufen können. Da war dieser Kino-Gang schon eine schwierige Güterabwägung. Am Ende siegte meine Neugier, auch weil der Film The Alamo* hieß, und ich natürlich total fasziniert war vom Wilden Westen, überhaupt von all diesen tollkühnen Männern, die vor nichts Angst hatten und jedes Wagnis auf sich nahmen.
Frauen? Die waren da für mich nur schmückendes Beiwerk, absolut nicht der Rede wert.
Dafür fieberte ich bis ins Mark mit Davy Crockett und seinen hoffnungslos unterlegenen Mitstreitern, den 185 Haudegen, die sich im Kampf um Texas bis zur letzten Kugel der Übermacht der mexikanischen Armee, angeführt vom bösen General Santa Anna, entgegenstellten.
Noch heute habe ich diese erbarmungslose Schlacht um das brennende Fort Alamo vor Augen. Dass die Helden am Ende glorreich untergingen, hat mich damals total mitgenommen – entsprechend verstört und traumatisiert kam ich da aus diesem Kino. Nein, Lust auf Mehr hat mir das nicht gemacht. Ich war zu zart besaitet, zu wenig in der Lage, Distanz aufzubauen zu den so schrecklichen Kampfszenen. Ich litt.
Der zweite Film mit festem Platz in meiner Erinnerung, für den war ich tatsächlich wieder in eine Kino gegangen. Gesprengte Ketten** hieß der, und es spielte darin kein Geringerer als Steve McQueen. Ich war inzwischen dreizehn Jahre alt.
Diesmal war da kein blutiges Schlachtgetümmel mit Kampf Mann gegen Mann zu sehen, sondern die Spannung war sublimer angelegt: Amerikanische Kriegsgefangene planten den Ausbruch aus ihrem von den Deutschen brutal bewachten Lager. Ich weiß noch, dass einer, der seiner Sehkraft fast völlig eingebüßt hatte, unbedingt dabei sein wollte bei dieser lebensgefährlichen Aktion.
Wieder war ich mit jeder Faser dabei, in diesem packenden Thriller, aber ich verdaute das seelisch schon viel besser. Trotzdem wurde aus mir kein regelmäßiger Kinogänger.
Als es in meiner Familie dann Anfang der 1970er Jahre endlich einen Fernseher gab, schaute ich begeistert … Fußball. Und wenn ich mich an wirklich spannende, traumatische Bildschirm-Ereignisse erinnern soll, dann waren das … Fußball-Europa-Pokal-Spiele. Zum Beispiel 1. FC Köln gegen Liverpool, Borussia Dortmund gegen Inter Mailand.
Zurück zum Kino und zu einem dritten wirklich nachhaltigen Film fand ich dann mit Bertoluccis Epos 1900***, der seinerzeit in Köln auf zwei Abende verteilt lief. Diesen Film habe ich förmlich in mich hinein gesogen. Vielleicht, weil schon die Musik von Sergio Leone so phänomenal gut ist. Sicher aber auch, weil mich die Geschichte des Films, die politische Entwicklung in Italien und das zweigeteilte Leben dort in der Po-Ebene – am Beispiel zweier Lebensläufe plastisch gezeigt – so sehr berührten. Überhaupt Italien, die Italo-Western damals, Sergio Leone... Aber auch ein junger Franzose namens Gérard Depardieu fiel mir damals in 1900 schon auf.
Schindlers Liste**** ist – mit einigen Jahren Abstand – der nächste Film, den ich nennen würde, wenn man mich nach „bleibenden Kino-Erlebnissen“ fragte. Über Steven Spielberg und diesen perfekt gemachten Film ist genug geschrieben worden. Von mir nur so viel: Er trieb mir die Tränen in die Augen, und ich weiß noch, dass ich mich nach Ende der Vorstellung erst einmal nicht nach draußen traute, weil man mir die “Heulsuse“ angesehen hätte.
Der große Andrang bei diesem Film, der ganze Hype im Lande und die Tatsache, dass man fast die staatsbürgerliche Pflicht hatte, sich diesem zu stellen, führten mich wieder weg vom „großen“ Kino, weg von Hollywood und den bombastischen amerikanischen Produktionen.
Mit meiner Vorliebe für Frankreich sah ich es fast als kulturelle Mission, trotzig den europäischen Film hoch zu halten. Ich verhehle nicht, dass da nun auch höchst attraktive Damen eine Rolle spielten: Sophie Marceau, Juliette Binoche, Catherine Deneuve, Isabelle Adjani, Audrey Tautou...
Der Film aber, der mich zuletzt noch einmal richtig gepackt hat, ist völlig frei von irgend einem Sex-Appeal, wenn auch Miou-Miou darin eine bezaubernde Figur abgibt.
Am achten Tag***** entstand unter der Regie des Belgiers Jaco van Dormael. Es geht da um Georges (Pascal Duquenne), einen jungen Mann mit Down-Syndrom, der aus dem Heim abhaut und dabei unversehens auf Jack (Daniel Auteuil) trifft. Der ist völlig durch den Wind, weil ihn gerade seine Frau mitsamt der beiden Kinder verlassen haben – ihn, den erfolgreichen PR-Guru und Top-Verdiener. Zwei kaputte Typen, die nun durch die Welt der „Normalos“ irren.
In Deutschland lief dieser in Cannes prämierte Film nur kurz. Eine Kritik ist mir haften geblieben, weil sie ihn nieder machte mit „ein hübscher Film für Weihnachten im Kreise der Familie...“
Da ich mich in Fragen des Kinos als Außenstehender betrachte, mich also auch naiv und unvoreingenommen durch die immer neuen Produktionen und immer besser wissenden Kritiken bewegen kann, lässt mich so eine Einschätzung kalt. Mit Freunden zusammen habe ich den Film später ein zweites Mal gesehen – es hat sich ein zweites Mal gelohnt. Die Welt der „Normalos“war in der Zwischenzeit noch „irrer“, und die angeblich „kaputten“ Typen immer mehr zum Normalfall geworden.
Kleines Fazit: Die Filme, die ich hier nannte, haben das erreicht, was meiner bescheidenen Meinung nach zählt: Sie berühren. Sie leben im Zuschauer in einer bestimmten Form weiter.
In diesem Blick zurück, der mehr als 50 Jahre abdeckt, sind eine Überfülle von Geschichten und Botschaften auf mich eingeprallt – fast täglich. Die meisten davon sind spurlos wieder weg. Diese fünf Filme aber haben sich tief bei mir eingeprägt.


* The Alamo, USA 1960, Regie: John Wayne
**orig. The Great Escape, USA 1963, Regie: John Sturges
***orig. Novecento, Italien 1979, Regie; Bernardo Bertolucci
****orig. Schindler's List, USA 1993, Regie: Steven Spielberg
*****orig. Le huitième jour, Frankreich 1996, Regie; Jaco Van Dormael

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Willibald (20.02.20)
Ennio Morricone .... Musik 1900

Nicht gerade hier bei den Fünf, aber sonst wäre den Filmkolumnen von DR ein Untertitel nützlich, sowas wie

Randstücke, Minima Marginalia (für die Adorno-Eierköpfe), Aside, Das vielleicht auch, Auch nicht zentral, Im Kinostuhl, Die Farbe des Kinovorhangs, Mein drittes Auge, Das Helle im Dunklen - das Runde ins Netz ...

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