Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Being Alive
von Dieter_Rotmund
Gastkolumnistin BInspired über Marriage Story, GB/USA 2019
Im Badezimmer hören wir Musik. Wir singen, lauschen und sprechen über Dinge, die sonst keinen Platz haben. Ins Bad passen sie hinein: zwischen Wanne und Waschbecken, während wir Zähne putzen oder Haare kämmen. Das Bad ist unsere Fundstelle für alle Dinge. Ein Ort zum Kichern und Staunen - mal bei geöffneter, mal hinter verschlossener Tür. Ich fahre mit der Bürste durch ihr dichtes Haar und erzähle: „Ich schreibe eine Gastkolumne.“
„Was ist das?“ Ich überlege kurz. „Ich schreibe meine Sicht auf ein Thema.“ Und worüber schreibst du?“ Jetzt erwische ich einen Knoten hinter ihrem Ohr. „Au!“
„Ich schreibe über einen Film, den ich vor ein paar Monaten gesehen habe. Marriage Story.“ Ihr Scheitel ist immer an derselben Stelle. Ich trenne drei Strähnen ab und fange an zu flechten. „Worum geht es in dem Film?“ Schnell nehme ich eine dünne Strähne dazu und noch eine. „Es geht um ein Ehepaar mit Kind. Sie ist Schauspielerin und er ist Regisseur. Erst wohnen sie zusammen in New York, dann zieht die Frau zurück nach Los Angeles.“ Ihr Haargummi liegt immer an derselben Stelle. „Ist es einer dieser langweiligen Filme für Erwachsene oder passiert da auch etwas?“ Mittlerweile stehe ich auf den Zehenspitzen, wenn ich ihre Haare flechte.
„Hm. Es passieren viele Erwachsenensachen.“ Wieder überlege ich. „Die Frau kann ganz gut Haareschneiden. Sie schneidet immer allen die Haare im Badezimmer, sogar sich selbst. Nachdem sie weggezogen ist, geht der Mann wieder zum Friseur.“
Unsere Blicke treffen sich im Spiegel. „Trennen sie sich?“ Ich befestige das Haargummi. „Sie verändern sich. Ich weiß nicht, ob du das schon verstehst.“ Die Spitze ihres Labellos erinnert mich an das Empire State Building. „Verstehst du es?“ Nochmal bürste ich über ihr Haar. „Manchmal. Nicht immer.“ Sie streicht sich die Augenbrauen glatt. „Es gibt also Erwachsenensachen, die ihr Erwachsenen selbst nicht versteht.“ Ich lache und drücke Play. „Auch das ändert sich. Manchmal.“ Sie grinst. „Dann gibt es ein Happy End.“ Der Song beginnt.
Song: „Being Alive“, aus „Company“
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
LG
Eiskimo