Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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After Life
von Dieter_Rotmund
Gastkolumne von Quoth
Ohne die Tipps meiner Töchter wüsste ich nicht, was ich mir aus dem Überangebot von streambaren Filmen heraussuchen sollte. Sie haben mich schon dazu gebracht, mir „Fleabag“ mit der wunderbaren Phoebe Waller-Bridge anzuschauen, und ihr neuester Coup ist es, dass ich mich auf die schwarze „Dramödie“ „After Life“ von und mit dem erstaunlich vielseitigen Ricky Gervais eingelassen habe – denn er ist nicht nur der Hauptdarsteller, sondern auch Drehbuchautor und Regisseur, förmlich Charlie Chaplin vergleichbar.
Meine Tochter warnte mich vor „tiefschwarzem britischen Humor“ – und vor zum Teil derber Obszönität, und gerade die letztere hätte mich abgestoßen, wenn nicht das Gegengewicht tiefer Menschlichkeit, herzerwärmender Situationskomik und kecker Dialoge mich immer wieder versöhnt hätten. Und freudig feierte ich auch Wiedersehen mit Penelope Wilton, die in Downton Abbey die Isobel Crawley spielte, hier war sie die auf der Friedhofsbank trauernde Witwe Anne, zu der sich immer wieder der Lokalreporter Tony Johnson (Ricky Gervais) setzt, der, ebenfalls frisch verwitwet und durch das Gefühl, mit seiner Frau Lisa (Kerry Godliman) auch sein eigentliches Leben verloren zu haben (daher „After Life“), so verbittert ist, dass er immer wieder mit dem Gedanken spielt, sich was anzutun. Anne versucht ihn positiver zu stimmen, fordert ihn auf, doch mal nett zu ihr zu sein – und da fragt er sie mit Blick auf ihren Mund: „Sind das noch Ihre echten Zähne?“
Ja, sie sitzen da, die beiden Trauernden, und die Angestellten sitzen auch im Büro der Tambury Gazette, sie sitzen in Pubs, sie sitzen den Bürgern gegenüber, die sie in ihrem Käseblatt featuren wollen z.B. weil sie einen Sohn haben, der zwei Flöten zugleich mit der Nase spielen kann, und Tony liegt im Bett und schaut sich Videos an, in denen Lisa, gezeichnet von der Chemo, ihn auffordert, nicht zu sehr um sie zu trauern … Allein schon wegen des trotzigen Verzichts auf action ist diese Serie von dreimal sechs Folgen à 29 Minuten sehenswert, die Behaglichkeit und Ereignisarmut der fiktiven Kleinstadt Tambury kommt glaubhaft herüber, ein überaus sympathischer und liebevoller Schäferhund versöhnt den trauernden Tony immer wieder mit dem Leben, dieser verkuppelt den einsamen Briefträger Pat (Joe Wilkinson) mit der prächtigen Sexarbeiterin Roxy (Roisin Conaty) und freundet sich rührend mit der Pflegerin Emma (Ashley Jensen) an, die seinen dementen Vater im Altersheim betreut …
Unerträglich und eine für mein Gefühl zu grausame Karikatur ist der Psychotherapeut (Paul Kaye), der Tony und seinen antriebslosen Schwager Tom (Matt Braden) berät und versucht, beide zu rücksichtslosen Machos umzuerziehen, für mein Gefühl eine satirische Antwort auf die evolutionäre Psychotherapie, wie sie durch den Kanadier Jordan Peterson vertreten wird, der LGBT ablehnt und das Verhalten brünftig kämpfender Hummer zum Vorbild für Männer macht. Und wenn ich mich frage, warum die Engländer Komik und Tiefgang so schlüssig miteinander zu versöhnen wissen, muss ich auf ihn zurückgreifen: ihren Nationaldichter, the great bard.
Die Serie erhielt bei den National Television Awards 2021 die Auszeichnung als Best Comedy.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
After Life
von Dieter_Rotmund
eine Fokussierung auf D.R., welche meist abstruse Hinweise auf die Notwendigkeit von Kinoleinwänden, Originalversionen, die Verdammung von so etwas wie Inhaltsangaben, Fantasy und Zeichentrick erwarten lässt.
Für mich nur als unfreiwillig komisch lesbar und ergiebig für parodistische Ansätze von den gehäuft auftretenden Spachkloppern ... der Rest ist schweigen.
Dank an Quoth und Bitte um mehr von einem Serien- und Filmliebhaber.