Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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2022 geht zu Ende
von Dieter_Rotmund
Das Jahr 2022 geht zu Ende und ich hatte im Kino viele schöne, zuweilen auch ergreifende Momente. Wer noch? Ein Leben ohne Kino ist möglich, aber sinnlos. Was soll es denn bringen, tagsüber in irgendeinen Kabuff zu schuften und abends wieder vor dem Computer zu hocken, wenn man keine Kultur bekommt - Existieren wir nur, um uns fortzupflanzen und den Rest der Zeit dumpf dahinzubringen? Man lebt nicht vom Brot allein.
Eines meiner Lieblingskinos spielte als letzte Vorstellung in diesem Jahr Les aventures de Rabbi Jacob, eine französisch-italienische Komödie von 1973 mit Louis de Funés in der Hauptrolle. Ein reichlich alberner Film, aber im Kino OmU auf der großen Leinwand ein schönes Erlebnis, zumal es ein Überraschungsfilm war, d.h. das Publikum (und damit natürlich auch ich) wussten bis kurz vor dem Beginn nicht, welcher Film gezeigt werden wird. Ich bin zwar mit den hektischen Louis de Funés-Filmen aufgewachsen, dieser Les aventures de Rabbi Jacob war mit jedoch komplett unbekannt, Will sagen, auch vom Hörensagen her kanne ich ihn nicht.
Funés spielt darin (es ist natürlich auch eine Verwechslungskomödie) nur eine begrenzte Zeit den titelgebenden Rabbi. Den schmalen Grat, auf dem sich Drehbuch und Funés in der Darstellung eines religiösen Geistlichen einer geschichtlich stark belasteten Glaubensgemeinschaft befanden, der war ihnen Anfang der 1970er Jahre sicherlich nicht so bewußt. Welch glückliche Zeiten, als man es zwar reflektieren, aber unbefangen damit umgehen konnte! Buch und Funes indes schaffen es jedoch, das ganze nicht würdelos umzusetzen. Einzig manche Gags schießen etwas über das Ziel hinaus, aber nur auf handwerklicher, nicht auf gesellschaftlicher Ebene. Danach gab es im Foyer des Kinos noch Brezeln und Wein.
Ein anderer Film aus dem aktuellen Programm: Stille Post (D 2022) machte auf mich einen etwas verkrampften Eindruck. Man bemühte sich offenbar, ein einmal erreichtes Betroffenheitsniveau konstant durchzuziehen. Das macht einen übermäßig bemühten Eindruck. Zudem ist der Titel unglücklich gewählt. Im gleichnamigen Kinderspiel geht es um etwas anderes. In Stille Post werden aber durchaus interessante Fragen aufgeworfen, es geht um journalistische Integrität und darum, was menschliche Beziehungen aushalten müssen - oder können. Fazit: Wer zu viel Nähe zulässt, kommt darin um. Und wenn ein Film eine solche Botschaft authentisch und glaubwürdig transportiert, dann kann es kein schlechter Film sein.
Wie da die Martina Gedeck mit einer grandiosen "Flunsch" nach ca. 10 Minuten Spielzeit in Die stillen Trabanten (D 2022) die Treppe hochkommt. das ist einfach herrlich. Das Werk ist ein klassischer Episodenfilm, wie ihn die Amerikaner mit Five Corners 1988 einführten: Getrennte Geschichten im demselben zeitlichen Rahmen in einem örtlich begrenzten Raum mit Überschneidungen. Die stillen Trabanten lässt auch ein paar Rückblenden zu, was nicht ganz unproblematisch ist und die volle Aufmerksamkeit des Betrachters fordert- aber warum auch nicht? Mir hat der Film gut gefallen, weil die Figuren echt wirken, weil sie echte Probleme haben. Ob man den Security-Angestellten Erik (Charly Hübner) unbedingt einen Glatze zumuten muss und was Jens (Albrecht Schuch) an der sehr verhärmt wirkenden Aischa (Lilith Stangenberg) findet, das bleibt irgendwie im Dunkeln und gehört wohl zu den kleinen Ungereimtheiten von echten Leben(den). Was wohl Nastassia Kinski dazu veranlasst hat, nach gefühlt 30 Jahren wider in einem deutschen Film mitzuspielen? Welt.de reiht Die stillen Trabanten in einer Lister der "schönsten Weihnachtsfilme ohne Weihnachten" ein. Nun, ja, wenn es denn sein muss..
Richtig begeistert bin ich von Aftersun (UK/USA 2022), bei dem ich Schwierigkeiten habe, ihn auch nur annähernd beschreiben zu können. Was soll's! Ein toller Film, den ich da am 23.12. sah, ich war baff. Während draußen die SUVs an der Zufahrt zum Parkhaus des Einkaufszentrums Schlange standen, haben ein paar Menschen und ich diesen grandiosen Film sehen können. Doch Vorsicht! Wem dem aktuellen Produkt des Avatar-Franchaise gefällt, ist mit Aftersun sicherlich heillos überfordert! Das sind dann doch ganz andere intellektuelle Herausforderungen, sorry.
Soweit mein kleiner cineastischer Jahresende-Rückblick 2022. Ich wünsche allen KVlern schöne Filme 2023!
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
(29.12.22, 00:12)
Land of dreams (US 2021) hat mir gut gefallen, alle anderen waren einfach nur belanglos.
Daß man über den was Positives sagen kann! Ich fand ihn immer nur albern.
Möchtest du eine Gastkolumne zu Illusiones perdues schreiben? Ich sah ihn gestern im Kino...