Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Ödipus-Ploitation
von Dieter_Rotmund
Die Ödipus-Sage ist ein Stoff, der im Laufe der Jahrhundert viele Aufführungen und Interpretationen erfuhr. Ins Kino hat er es, warum auch immer, nicht so oft geschafft. Da gibt es diesen US-amerikanischen Film Oedipus the King aus dem Jahre 1968, der bei imdb.com mäßig gelitten ist (Note 6,4). Aber immerhin mit Orson Welles (Pippo das Eichhörnchen), Christopher Plumer (Harry Potter) und Liselotte Pulver (Sesamstraße). Loriots Ödipussi von 1988 beschäftigt sich in humorvoller Weise mit dem Ödipus-Komplex, aber mit der äußert spannenden und prototypischen Tragödie hat er fast nichts zu tun.
Nun lief Music (2023) in den Kinos, von Angela Schanelec, von der ich mal auf einem Festival Orly (2010) sah, was mir damals gut gefallen hat. Music ist, wie viele Rezensenten und auch ich schreiben, ein rätselhafter Film. Man erkennt die Ödipus-Sage durchaus, aber was soll das mit dem Wasser überall? Und der tote FDP-Politiker??? Man könnte einen Begriff aus der Literatur verwenden und sagen, vieles sei hermetisch an diesem Film. Dennoch gerne gesehen. Die Frauen in diesem Film alle so majestätisch, die Männer schwach.
Ganja and Hess (USA 1974). Ein kruder Film, grob zusammengezimmert, "dreckig fotografiert", irgendwie gar nicht ausgeleuchtet. Anfangs erkannte ich keinen roten Faden. Ich sage mal so: Jetzt habe ich einen offenbar klassischen blaxploitation-Film im Kino gesehen, das reicht mir von diesem Genre. Er hat durchaus seine Existenzberechtigung, aber wirkt sehr aus der Zeit gefallen. Habe dafür Das Lehrerzimmer (D 2023) sausen lassen...
Überraschung: Abends im Park einen Mann gesehen, der sich mit Smartphone und einem Mini-Projektor ein Musikvideo auf eine helle Betonwand geworfen hat. Kino ist überall.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
Nicht mehr als drei Filme hast Du über den Ödipus-Stoff gefunden? Wobei der von Loriot sich wohl eher auf Freud als auf Sophokles bezieht; und Freuds Interpretation geht nun wirklich sehr eigenwillig mit dem Stoff um. Denn bei seinem Ödipus-Komplex weiß der Betreffende, wer sein Vater, wer seine Mutter ist - und genau das weiß der antike Ödipus nicht ... erst dieser Umstand führt zu den tragischen Ereignissen.
Italienische Kinofilme sind bei mit weitgehend ein weißer Fleck.
1967, Regie: Pier Paolo Pasolini
Die Tragödie des Ödipus, der unwissend seinen Vater tötet, die Mutter zur Frau nimmt und nicht ruht, bis diese unbewußte Schuld ans Licht gebracht und gesühnt ist, in einer modernen Verfilmung: Von Sophokles ist nur die reine Handlung, kein einziges Textwort übernommen. Pasolini hat das mythische Geschehen in die zeitenfern-archaische Realität der Bauern und Handwerker des unterentwickelten italienischen Südens (aufgenommen in Marokko) verlegt und den antiken Stoff marxistisch zu aktualisieren versucht. Ein sehens- und diskussionswertes Experiment.
2. König Oedipus (Oedipus the King)
1967, Regie: Philip Saville
Verfilmung des griechischen Dramas von Sophokles. Die in den Ruinen eines antiken Theaters angesiedelte Inszenierung verfügt über starke innere Dramatik und sucht klassischen Stil mit filmischen Auflockerungen zu verbinden. Vor allem für Theaterfreunde sehenswert.
3. König Ödipus (Edipo Rey)
1972, Regie: Antonio Fernandez Reboiro
Geschichte des Königs Ödipus von Theben, der in Unwissenheit seinen Vater tötete, die Mutter heiratete und damit den Spruch des Orakels von Delphi erfüllte. Interessante, ereignisreiche Ballettverfilmung einer antiken Tragödie mit dem kubanischen Nationalballett in der Choreografie von Jorge Lefebre.
[Lexikon des internationalen Films. Herausgegeben vom Katholischen Institut für Medieninformation (KIM) und der Katholischen Filmkommission für Deutschland. 10 Bde. Reinbek 35.-49. Tausend 1995]
Der Sodom-Filmskandal war in der Tat "vor meiner Zeit", aber ich las letztes Jahr einen ausführlichen Artikel über Pasolini in der FAZ...