Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Montag, 03. Juli 2023, 15:54
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Inside Chocolat in Asteroid City

von  Dieter_Rotmund


Es war ein wenig wie in einer Zeitmaschine, als ich im Kino eine Wiederaufführung von Chocolat (UK/USA) sah (Judi Dench sah immer irgendie gleich aus, damals wie heute). Der Film ist zwar aus dem Jahr 2000, atmet aber noch wie einer aus den 1990ern. 
Eine sog. alleinerziehende Frau, wenn ich mir diesen typischen altbundesrepublikanischen Begriff erlauben darf, eröffnet 1959 in einer kleinen, sehr katholisch-konservativen französischen Kleinstadt eine Chocolaterie, also so eine Art Fachgeschäft für Handgemachtes aus  Schokolade. Der Konflikt geht entlang der gesellschaftlichen Trennlinie von Moral, was man zunächst nicht erwarten würde. Aber der Film führt den grundlegenden Streit gleich ein, indem er im noch leeren Laden den Bürgermeister auftreten und sagen lässt, dass man während der Fastenzeit keine Patisserie aufmachen sollte - was die neue Ladeninhaberin natürlich verneinen kann, eine Chocolaterie ist keine Patisserie, passt indes noch weniger zum Fastengebot. Die Situation eskaliert später mit dem Eintreffen von Flussnomaden, die naturgemäß ganz unten stehen im Frankreich von 1959. Es ist alles recht betulich gemacht und quasi die ersten Piratenrolle für Johnny Depp, der von seinem Kollegen schauspielerisch an die Wand gespielt wird. Seltsam, dass in diesem altfranzösischen Dorf alle Englisch sprechen. Nun ja. Wie ich vorher schon befüchtete, ist Chocolat reichlich sentimental, aber die Schauspieler (alle außer Depp) überzeugen. Das rettet den Film nicht davor, im Jahre 2023 zudem reichlich betulich zu wirken. Aber ich hatte meine Zeitmaschine, so vom Gefühl her. Das Gefühl muss stimmen im Kino.
Asteroid City (USA 2023) wirkt hingegen sehr artifiziell. Durch die verschachtelte Erzählweise bin ich mit diesem Werk nicht so richtig warm geworden, auch wenn dieser Film - wie viele von Wes Anderson - rein visuell toll anzuschauen ist. The French Dispatch ist ihm m.E. besser gelungen als diese Alien-Geschichte in der Wüste. nun, ja.
Ei klasse Film hingegen ist Inside (GRE/GER/BEL 2023), in dem es um die Kunst geht, der aber dennoch nicht artifiziell wirkt. Ein Ein-Mann-Stück für William Dafoe. Ich möchte nicht zu viel über ihn verraten, sondern ihn empfehlen.





  •  Armande Voizin: [entering the new chocolate shop] What's the décor,
  •  early Mexican brothel?

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Graeculus (06.07.23, 00:21)
Chocolat. Erinnerung. Ich kannte damals eine Person, die sehr geschwärmt hat von diesem Film. Doch die Art, wie sie es tat, machte mich skeptisch. Ich ahnte Kitsch.
Dein Eindruck bestätigt diesen Verdacht von damals. Gesehen habe ich ihn nie.

 Graeculus meinte dazu am 06.07.23 um 00:22:
Schau Dir doch mal, wenn es möglich ist, einen Film von Amos Kollek an. Diesen Regisseur habe ich damals entdeckt und war begeistert.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 06.07.23 um 19:51:
Nur, wenn er im Kino kommt...  :blink:

 Graeculus schrieb daraufhin am 06.07.23 um 23:34:
Das wird wohl nicht der Fall sein, fürchte ich - zumal er m.W. keine neuen Filme mehr dreht.
Großartige Filme waren das ... bis er sie nicht mehr finanziert bekommen hat.

Sein Vater war übrigens Teddy Kollek, für viele Jahre Bürgermeister von Jerusalem. Auch über das problematische Verhältnis zu diesem seinem Vater hat er einen Film gedreht, den ich formal interessant fand.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 07.07.23 um 09:47:
Es muss ja nichts neues sein, eine WA in OmU wäre auch schön...
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