Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Mittwoch, 02. März 2011, 18:10
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In Erinnerung an....

von  Matthias_B


…Georg Kostya, der am 25. Januar gestorben ist.

Früher konnte man noch begeisterter Radiohörer sein, denn in den späten Achtziger Jahren liefen auf B3 verschiedene Formate, in denen detailliert Einblicke in die abwechslungsreiche Musik der späten Fünfziger, Sechziger und frühen Siebziger Jahre gegeben wurde: „Meet the beat“, später „The beat goes on“, wiederum später die „Goldtimer” bzw. „The world´s best music“ mit Julia Edenhofer, Hans Griebl und Georg Kostya, die sich bezüglich der Moderation "an den zwei Plattenspielern" oftmals abwechselten. Letzterer kramte ebenso in seiner Sendung „Aus meiner Rocktasche“ aus ebenjener selten gehörte, aber nicht minder interessante Titel der Rock´n´Roll- Ära hervor und gab dazu oftmals interpreten- bzw. titelspezifische Hintergrundinformationen kund. So wurde man nebenbei auch mit etwas Englisch bekannt gemacht (wobei mir, z.B., erst Jahre später aufging, dass "Multiplication" nicht von Arithmetik, sondern Dingen, die Männlein und Weiblein so tun, handelt).
Nach der Absetzung der Formate 1992 bekam ich ein Jahr später mit, dass die „Rocktasche“ wieder – diesmal zweistündig bis zur mitternächtlichen Stunde - auf Sendung gegangen war, was in einem wöchentlichen Zukauf von Leerkassetten resultierte. Konnte man sich in der ersten Stunde noch mit zum Teil ziemlich raren Liedern der Fünfziger und frühen Sechziger in freudiger Spannung aufwärmen, ging einem spätestens in der zweiten (beatlastigen) Stunde, die alle möglichen Stile der Sixties bis hin zum Surf sound oder zum Psychedelischen umfasste, das kleine Teenagerherz vollends auf. Da kümmerte es wenig, am nächsten Montag übermüdet in der Schule zu erscheinen, bzw. in der Klasse ob des Musikgeschmacks etwas schief angesehen zu werden.
"Rolling Schorsch" spielte ebenfalls Musikstücke, die er aus vielen Zuschriften von (Stamm-)Hörern entnahm, wobei er manchmal scherzhaft betonte, dass die „Rocktasche“ keine eigentliche Wunschsendung sei, er jedoch gerne auf diesbezügliche „Anregungen“ eingehen würde, was ihm gut gelang: Den Großteil der seltenen und schwer auffindbaren Titel konnte er sofort aus dem Hut zaubern und bei den „ schwierigen Fällen“ sprangen manche Hörer ein, die eine Originalsingle privat besaßen. Somit war auch eine hohe Dichte an Raritäten vorhanden (was die Sendung von der (auch nicht schlechten) Konkurrenz der dreistündigen „Golden Oldies“ Raimund Wagners auf der Antenne hinsichtlich der Vielfalt abhob), die zudem – im Vergleich zu den heutigen Gepflogenheiten – in Georgs typischem Stil unaufgeregter Sachkompetenz mit Herz für die Musik anmoderiert und ohne Hereingerede ausgespielt wurden. Ein Beispiel unter vielen: „With a girl like you“ von den Troggs dürfte heutzutage jeder kennen, aber „Evil woman“, „Say darling“, „Little red donkey“, „Lost girl" oder „You can´t beat it“ wohl sicher nicht (mehr). (Ich würde auch wetten, dass hier nicht allen der betagten Junggebliebenen "Night rider" von Elvis ein Begriff wäre?) Ein paar Stücke wurden in der Sendung, die mit der Anfangssequenz des „Jailhouse rock“ (in der zweiten Stunde zudem mit dem markanten „Part Two“) begonnen wurde, auch passend zur Jahreszeit aufgelegt, z.B. „Rocking around the christmas tree“ in den jährlichen Weihnachtsausgaben oder „School is out“ (Beginn der Sommerferien) bzw. „School is in“ (Beginn des nächsten Schuljahres). Ebenso legte er manchmal – auf Hörerwunsch hin – seine eigene Interpretation von „Crazy with love“ auf, in welcher er ein „Schatzi“ in den Refrain gemogelt hatte. Ebenso erfuhr man durch die (Neu-)Nummerierung der jeweiligen Ausgabe, dass es die „Rocktasche“ "schon" – mit Unterbrechungen – seit 1972 gegeben hatte. Im September (?) 1996 wurde jene jedoch – um eine Stunde gekürzt – auf B1 „geschoben“ (wo auch Julia Edenhofer und Hans Griebl wieder durch eine melodiöse Nostalgie- Sendung führten, die etwas mehr auf deutsche Schlager und Seltenheiten ausgerichtet war und Georg zudem – als „Ihre Schlafmütze vom Dienst“ – die ruhigere Sendung „Gute Nacht, Freunde “ co-moderierte), um noch später – leider nur noch halbstündig und nicht mehr wöchentlich – auf B2 ein Schattendasein für Kenner zu fristen, bis sie vor sechs Jahren endgültig eingestellt wurde.
Georg leitete insgesamt durch mehr als 1100 Ausgaben - wobei seine Co- Moderation der oben erwähnten Formate dazukommt - jener und stellte viele Titel heute größtenteils vergessener Interpreten vor ([hier hatte ich ursprünglich eine (wohl zu) lange Auflistung von Sängern und Gruppen stehen, die bei Bedarf nachgereicht werden könne, stehen]) - eben eine der berühmtesten "Stimmen" des Bayerischen Rundfunks.

Deswegen, lieber "Rolling Schorsch", vielen, vielen Dank für die ganzen Jahre voller wunderbarer Musik und sympathischer Moderation!

Mit den besten Grüßen
Matthias

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (09.03.11)
Ich interessiere mich weder für Radio noch für Musik noch für Radioprogramme, muss aber bekennen, dass dies ein sehr gut geschriebener Nachruf ist!

 Matthias_B meinte dazu am 03.03.19:
Ich habe mittlerweile erfahren, dass Julia Edenhofer - neben Hans Griebl die andere treibende Kraft bei "Meet the beat" und den "Goldtimern" - leider auch gestorben ist, Ende des letzten Jahres. Während Georg eine Koryphäe in Sachen Rock'n'Roll der 50er und Beat der Sechziger war, war sie es für die Schlager der 50er, 60er und 70er. Sie spielte auf B3 bzw. B1 selbst seltene, aber gute Lieder, die es wohl nie mehr im Radio zu hören geben wird. Und ihr sympathischer "last, not least"-Spruch bei der Ansage (den ich als Viertklässler damals noch nicht so richtig begriff) hallt immer noch in den Ohren.
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