Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Montag, 22. August 2011, 21:59
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Der Kunde als Servicekraft der Unternehmen.

von  AlmaMarieSchneider


Immer, wenn ich am Fahrkartenautomaten der Bahn stehe, bildet sich hinter mir eine Schlange Ungeduldiger, die mit hilfreichen Bemerkungen nicht gerade sparsam umgehen. Da ich als Autofahrerin selten mit dem Zug fahre, stehe ich natürlich jedes Mal vor einer echten Herausforderung und die Bewältigung dieser Hürde kostet eben Zeit.
Wehmütig denke ich dann an die Zeit zurück, in der jeder Bahnhof einen Warteraum hatte und einen Schalter. Im Winter war dieser Warteraum kuschelig warm. Man sagte wohin, bezahlte und das war‘ s. Den Rest erledigte ein Bahnbediensteter. Manchmal erreichte man den Zug noch in letzter Sekunde, dann löste man die Karte ganz einfach im Zug. Schon von weitem hörte man das fragende „noch jemand ohne Fahrkarte“ des Schaffners. Man sagte dann wohin, bezahlte und das war‘ s.
Heutzutage scheint der Kunde der beste Arbeiter diverser Unternehmen zu sein. Vor allem kostet dieser Arbeiter keinen Cent und er ist willig. Er löst seine Karten selbst, bedient den Empfang von Firmen, sucht sich sein Essen zusammen, steckt den Zapfhahn an der Tankstelle in den Tank seines Autos, bucht seine Flug-Tickets, hebt sein Geld vom Konto ab und schiebt geduldig eine Flasche nach der anderen in einen Automaten, der seinerseits dann jede Flasche dreimal zurück gibt und dann auf gibt. Jetzt heißt es eisern warten und wenn man Glück hat erscheint eine echte reale Servicekraft, die zumindest dafür sorgt, dass man einen Pfandbon für die bereits eingeschobenen Flaschen erhält.
Die ersten kostenlosen Kunden- Arbeitskräfte waren vermutlich die Kinder am Kaugummi-Automaten, sozusagen als Tester und die Raucher. Der Fahrkartenautomat ist jedoch keine Erfindung des Kapitalismus, sondern wurde in den 80er Jahren von der Reichsbahn in der DDR eingeführt. Mittlerweile hat dieser kostenlose Service durch die Kunden ein Milliardenvolumen erreicht. Das Tollste an der Sache ist, meistens muss man auch noch dafür bezahlen, dass man die Arbeit selbst erledigt.
Ein Schelm, wer angesichts dieser servicebesessenen Bevölkerung Deutschland als eine Service-Wüste bezeichnet. Es gibt doch hier kaum jemanden, der nicht im Service arbeitet.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Didi.Costaire (23.08.11)
Ja, wir arbeiten alle als Service-Kräfte.
Ursprünglich war das sogar ziemlich praktisch. Gegen ein paar Münzen gab es Fahrkarten, Zigaretten oder Kaugummis. Durch die Automaten kam man jederzeit schnell an Geld. Die Selbstablesung der Gasuhr ersparte stundenlanges Warten auf den Gasmann.
Im Laufe der Zeit wurden dem Kunden jedoch immer mehr Aufgaben übertragen, die ihm nicht viel nützen.
Die Deutsche Bahn ist da mit ihren Fahrkartenautomaten der neuesten Generation ganz vorne. Um ein Ticket zu erhaschen, benötigt man etwa zehn Schritte, wenn man eine Bahncard besitzt. Dann braucht man noch das Glück, dass der Automat den Schein schluckt, denn mit Münzen kommt man heutzutage nicht mehr weit.
Wer nur ab und zu Bahn fährt, steht vor einer richtig schweren Aufgabe.
LG, Dirk

 AlmaMarieSchneider (24.08.11)
Lieber Dirk, das war wohl mein Problem.

 EkkehartMittelberg (31.08.11)
Liebe Alma Marie, ich bin ein Schelm. Schuld ist nur dein Kommentar. Ich bezeichne Deutschland als eine Service-Wüste. Nie käme ich auf die Idee, dass dies irgendetwas mit Kapitalismus zu tun hätte.
Ekki

 Lala (01.09.11)
Kürzlich musste ich mit zu IKEA. Bedingung meinerseits war: wenn, dann Samstags und gleich nach Ladenöffnung. So früh wie möglich und bitte mit einem Plan. Wir waren früh da, wir hatten einen Plan, aber der Dich, ja Du, also der Dich gerne duzende IKEA Chef, hatte einen Besseren.

Wir waren schnell durch, hatten was wir wollten, kamen in die Kassen-Zone, es war grad mal so fünf nach Zehn, ok, gelogen es war halb Elf und bemerkten voll frustriert: lange Schlangen an zwei offenen Kassen. Aber in der Mitte, in der Mitte, zwischen den zwei offenen Kassen standen vier freundliche Schweden, die was machten? Sie wiesen die Dus, die bei IKEA eingekauft hatten und sich nicht in eine etwas längere Schlange einreihen wollten, darin ein, wie sie selbstständig ihre Waren einscannen und bezahlen können. Supi. Prevolution!

Widerlicher konnte auch der real existierende Sozialismus seine Verachtung gegenüber dem Individuum nicht ausdrücken.

PS: Ich billige auch dem Kapitalismus das Attribut: "real existierend" zu. Zumal der Kapitalismus ja auch gerne von der real Wirtschaft faselt.

PSPS: Deine Ironie, Ecki, verstehe ich nicht. Vielleicht hilfst Du mir sie einzuscannen.
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