Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Donnerstag, 11. April 2013, 12:42
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Die Kunst des Telefonierens

von  Dieter_Rotmund


Eine Zusammenarbeit mit Gastkolumnistin  DeadLightDistrict

Ich mag Menschen. Wirklich! Ich mag Menschen partiell und in Phasen. Frauen nur manchmal... Ganz selten sogar!

Letztens habe ich gemerkt, dass ich eine sehr niedrige Toleranzschwelle habe bezüglich Menschen, die mich anrufen.
Manche Menschen wissen nicht, wann es richtig ist "Tschüss" zu sagen und aufzulegen und dann in den nächsten zehn Tagen nicht mehr anzurufen.

In Don Siegels Film “Telefon" (USA 1977) - das ist tatsächlich der Originaltitel – geht es darum, das jemand mittels der fernmündlichen Sprachübertragung Agenten aktiviert und sie für dessen persönliche Ziele mißbraucht. Das Topos des sog. "Schläfers" wurde schon in diesem Film verwendet, als Al Quaida noch in den Windeln lag. "Telefon", ein etwas vergessener, aber brillanter Thriller vom "Dirty Harry"-Regisseur Siegel mit Eastwood-Vorgänger Charles Bronson.

Dann sitzt man da und muss sich entweder total langweilige Dinge anhören oder beide Gesprächsteilnehmer sitzen stumm an beiden Enden und sagen nichts.
Ich weiß nicht, welche der beiden Situationen schlimmer ist.
Schlimm sind beide... Manchmal auch nervig.

Vorallem wenn Freundinnen anrufen. Eine meiner Freundinnen besitzt ein komisches Hobby. Und zwar bereist sie gerne weit entfernte Länder, guckt sich die Sehenswürdigkeiten dort an oder planscht rum... Letztens hat sie sogar irgendwo in den Phillipinen Schnaps mit einer Schlange drin getrunken. Sie meinte, sie konnte sie an den drei darauffolgenden Tagen nicht mehr erinnern.
Wieder ein Thema außerhalb meines Interessengebiets. Sehr weit außerhalb! Hab ich sie etwa gefragt oder ihr gesagt, dass mich ihre Kacke da interessiert? NEIN!

In Hitchcocks “Dial M for Murder" (deutsch "Bei Anruf Mord") spielt das Telefon eine wichtige Rolle: Es dient als Werkzeug, soll das Opfer (Grace Kelly als Margot Wendice) im entscheidenden Augenblick ablenken und dient dem Anrufer (Ray Milland als Tony Wendice), der gleichzeitig Anstifter ist, der Kontrolle, ob der Mord tatsächlich geschieht.

Letztens... da fragte sie mich:"Und... hast du was in den Weihnachtsferien 2019 vor? Da wollte ich unbedingt den Iran besuchen! Da soll das Wetter schön sein!"

"NEIN!", schrie ich und hatte so wenig Bock mit ihr zu reden
wie Männer Bock auf diese lustigen Elefantenslips haben.
"Da komme ich doch her! Wenn es da schön wär, wäre ich doch nicht HIER!
Dann wär' ich dort geblieben!",
platzte es aus mir raus.
Ich glaube, ich habe sie erschreckt.

Ist es ein Hommage auf die Festnetztelefonie oder ein Versagen der Marketingverantwortlichen von Warner Brothers? Soweit ich mich erinnere, kann man in den "Matrix"-Filmen (1999, 2003) nur über eine Verbindung eines Festnetztelefons in die "reale" Welt zurückkehren. Funktioniert übrigens auch heute noch, wenn man einen typischen "World-of-Warcraft"-Spieler anruft und fragt, ob er dieses Jahr schon mal vor der Tür gewesen sei... Der Angerufene sieht allerdings sicherlich nicht so aus wie Keanu Reeves.

ABER wer reist denn Bitteschön in ein Land, wo jede Sekunde ein Putsch stattfinden könnte und der Staat voll auf Relegion abgeht?

Jetzt schweif ich voll ab. Also weiter im Text...

Ich mag es, wie gesagt auch nicht, wenn der Gesprächspartner stundenlang am Telefon sitzt und Nichts sagt. Meistens zock ich dabei "Plants vs. Zombies" auf dem Handy. Je mehr jedoch die Zeit vergeht und je weiter man in dem Spiel vorankommt, desto mehr langweilt man sich. Und da fängt die zweite Phase des innerliches Sterbens auf Grund des "Nichts-Sagens" an. Man fängt an nach Gründen zu suchen, die das Auflegen rechtfertigen könnten. Wenn man zum Beispiel müde wird, ist das super. Da kann man die Müdigkeit nämlich vorschieben!
Dann sagt man:"Oh! Ich bin aber ganz schön müde! Ich lege jetzt auf und gehe in das Bett!"
Man freut sich, dass die nicht existente, (durchschnittlich) dreistüdige Konversation nun beendet ist.
Zu früh gefreut! Weil dann wird man erst Recht vollgelabert. Während man sich wundert, was der gegenüber so zu sagen hat, wird man Stufe für Stufe aggressiver.
Letztens bin ich absichtlich am Telefon eingeschlafen... Und wenn ich mal so den Text hier durchlese, rege ich mich nur wieder auf.

Ich glaube, ich ruf mal ebend meine beste Freundin an und erzähle ihr, dass ich vorgestern Abend eine interessante Dokumentation über Fußpilz gesehen hab! Ich hatte es gestern beim Brunchen total vergessen, sie darüber zu informieren!

Eines haben alle Filme, die ich in diesem Text angesprochen habe, gemeinsam: Am Telefon wird fast überhaupt nicht geredet, die Konversation ist auf ein absolut notwendiges Minimum beschränkt. Das liegt wohl daran, dass alle (nun ja, bis auf Lana Wachowski) Regisseure und Autoren der besagten Werke Männer waren oder sind?
Agent Smith: "Tell me, Mr. Anderson... what good is a phone call... if you're unable to speak?"

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