Arbeitslosenstanze

Stanze

von  Rosalinde

Die Ware Mensch so billig wie das Bier,
der Run auf sie hält sich in Ämtergrenzen.
Hier hat man diesen Abschaum im Visier,
verschreibt Sanktionen solchen faulen Existenzen.
Hilft nichts mehr weiter hier, gibt's ein Klistier,
wir wollen schließlich keine Turbulenzen.

Wer arbeitslos, stellt brav sich in das Glied
und pfeift vergnügt sein Parasitenlied.


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Kommentare zu diesem Text


 Quoth (18.10.23, 14:18)
Dass Du klassische Strophenformen beherrschst, hast Du ja schon mehrfach gezeigt. Erinnert mich an Peter Hacks, der Klassizismus für die angemessene Kunstform in der DDR nach gelungener Revolution hielt ... Brecht hatte gleichsam ausgedient!

 Rosalinde meinte dazu am 18.10.23 um 18:14:
Danke, Quoth, fürs Reinsehen und Kommentieren. 

Gott, da unterstellst du mir aber was, ein paar klassische Formen beherrsche ich zwar, nachdem ich alles, was es gibt, durchprobiert und festgestellt habe, dass es nur wenige Formen sind, die meinen Inhalt transportieren. Der einfache Kreuzreim tut es auch. Wichtig ist doch das Inhaltliche, nach der Regel "Inhalt bestimmt Form". 

Naja, Brecht ist natürlich ein Klassiker. Er hat lediglich in einer anderen Liga als Hacks gedichtet, beide aber verbindet natürlich vieles. Dass Brecht also ausgedient hätte, würde ich so nicht behaupten wollen. Es gab immer Menschen, denen Brechts Stücke oder auch Gedichte aus diesem und jenem Grund nicht gefielen, die eher die herkömmliche Stanislawski-Inszenierung bevorzugten.
Warum sollten sie nicht auch? Wobei auch Hacks durchaus ein paar Elemente von Brecht übernommen hat, zum Beispiel die dialektische Methode, sie in erster Linie. Dass seine Stücke auf dem Klassizismus fußten, das hat sicher auch mit dem Herkommen von Hacks zu tun, denn im Westen war Brecht sehr lange Zeit ja ein - wie sagt man das? - sozusagen Underdog oder Kommunist, was er nicht war. Letzteres war wohl das Entscheidende, wofür er vom Westen geschnitten wurde. Andererseits wurden im Westen Krokodilstränen geweint, wenn Brecht wegen Formalismus von der Partei gerügt wurde. Aber so war und so ist das Leben, Quoth. Wir sollten das Beste von beiden übernehmen.

Lieben Gruß, Rosalinde

 Quoth antwortete darauf am 25.10.23 um 19:35:
Das Inhaltliche hier in Deiner Stanze beschreibt die (angebliche) Erniedrigung arbeitsloser Menschen im kapitalistischens System, sie sind nur noch Abschaum, faule Existenzen. Die klassizistische Form freilich suggeriert: So ist es in Ordnung, so soll es bleiben, ja, so ist es schön. Hier bestimmt der Inhalt nicht die Form, sondern steht zu ihr in diametralem Gegensatz. Meint Quoth

 lugarex (19.10.23, 06:51)
Wer arbeitslos, stellt brav sich in das Glied
Ein Arbeitsloser kann sein Glied noch kurze Zeit stellen, nachher vergeht alle Lust...

 Rosalinde schrieb daraufhin am 19.10.23 um 07:16:
Ja, lugarex, du bist eben ein schlauer Kerl. Da kann ich nichts gegen sagen.

 Rosalinde äußerte darauf am 26.10.23 um 08:05:
Hallo Quoth,

tja, schon mal was von Doppelmoral gehört? Hast du vergessen, dass ein SPD-Minister Arbeitslose als 
Parasiten bezeichnet hat? Hast du nicht mitgekriegt, dass die heutigen Jobcenter andere Aufgaben haben als die ursprünglichen Arbeitsämter? Dass Kanzler Schröder sich gerühmt hatte, in Deutschland den größten Niedriglohnsektor Europas geschaffen zu haben? Um diese Doppeldeutigkeit herzustellen, eignet sich die klassische Form hervorragend, so entlarvend, worum es eigentlich geht beim Arbeitslosenheer: ums Kürzen, wenn nicht gar Aufgeben des Sozialstaates. Arbeitslose sind die "nutzlosen Esser", die den Staat nur belasten, eine Folge des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.
Und diese Maßnahmen Schröders sind von den nachfolgenden Bundesregierungen nicht etwa beseitigt worden, sie erfolgten ja zu einer Zeit, als es in Deutschland 5 Millionen Arbeitslose gab, sondern weiter unter der Absicht, Arbeitslose noch mehr zu strangulieren,
ausgebaut worden. Was einmal Gesetz ist und dem Kapital nützt, wird nie wieder beseitigt, so viel müsste eigentlich klar sein. 

Lieben Gruß, Rosalinde
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